Stadtwerke in der Region erhöhen die Energiekosten ab April und begründen dies mit der teurer werdenden Beschaffung. Sie könnte billiger sein, wenn der Gaspreis nicht mehr an den Ölpreis gekoppelt wäre, sagen Kritiker

Essen. Die Zahl der Haushalte, die ihre Energierechnung nicht mehr bezahlen können, wird weiter wachsen. Das neue Schlagwort "Energiearmut" macht immer schneller die Runde. Dafür sorgen auch die Gaspreise: Nach einer WAZ-Stichprobe steigen die Gaskosten für Privathaushalte im Ruhrgebiet in nächster Zeit auf breiter Front.

Besonders groß ist der Preissprung bei den Stadtwerken Bochum (1. Mai) und Herten (1. April) mit über sieben Prozent. In Essen und Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop sind es ab April rund vier Prozent. Die Stadtwerke Duisburg liegen mit einem durchschnittlichen Preisaufschlag um 5,5 Prozent zum 1. April im Mittelfeld. Da das Gaspreis-Niveau im Ruhrgebiet sehr variiert, wirken sich die Tariferhöhungen denn auch sehr unterschiedlich in Euro und Cent aus. So muss der Durchschnittshaushalt in Herten mit etwa 100 Euro Mehrbelastung pro Jahr rechnen. In Haltern sind es 90 Euro, in Bochum und Duisburg etwa 80 Euro, in Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop gut 70 Euro und in Essen rund 50 Euro.

Fast alle Versorger begründen ihre Preiserhöhungen mit der "Entwicklung auf dem globalen Energiemarkt", der die Gaspreiserhöhung "diktiere", heißt es etwa bei den Stadtwerken Duisburg. Auch die Stadtwerke Essen sind offenbar hilflos: "Wir geben nur die gestiegenen Beschaffungskosten an unsere Kunden weiter."

Allerdings gibt es die überall gleich gestiegenen Beschaffungskosten wohl nicht, denn der Markt diktiert den einzelnen Anbietern offenbar sehr unterschiedliche Preise. Das hat vor drei Wochen auch das Bundeskartellamt auf den Plan gerufen. Es leitete ein Verfahren wegen des Verdachts überhöhter Preise ein und will von bundesweit über 35 Gasanbietern mit rund vier Millionen Kunden wissen, wie deren Preise kalkuliert sind. Dafür hat es, wie Kartellamtssprecherin Silke Kaul gegenüber der WAZ erklärte, jetzt eine Fristverlängerung gegeben. Die Unternehmen haben bis zum 1. April Zeit, ihre Zahlen offenzulegen. Im Juli will das Amt entscheiden.

Aber auch von anderer Seite kommen Zweifel an der Höhe der Gaspreise. So kritisiert die Energie-Fachfrau Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung die Kopplung des Gaspreises an den Ölpreis. Dieser Zusammenhang, der nichts mit dem tatsächlich vorhandenen Angebot und der Nachfrage zu tun hat, wird von der Gasbranche schon seit Jahren für ihre Preisgestaltung hergestellt. Nach dieser Logik folgt der Gaspreis dem Ölpreis mit sechsmonatiger Verspätung.

Kemfert meint jedoch, dass das Gas ohne diese nicht mehr zeitgemäße Kopplung jetzt deutlich billiger sein müsste "Das Angebot ist so groß, dass der Preis bei einem Handel an der Börse 40 Prozent niedriger liegen könnte." Dennoch werden die Gaskunden im Sommer noch tiefer in die Tasche greifen müssen, denn: Der Ölpreis ist seit Oktober von rund 80 US-Dollar je 159-Liter-Fass (Barrel) auf inzwischen zeitweise 110 Dollar in die Höhe geschossen. Die Gaspreis-Explosion mit halbjähriger Verzögerung ist also absehbar.