Der Klamotten-Billigheimer aus Bönen hat ein Image-Problem. Angeblich werden Mitarbeiter schlecht bezahlt, einen Betriebsrat gibt es nicht. Für die untere Gesellschaftsschicht ist die Tengelmann-Tochter aber unverzichtbar
Bönen. Die Gesichtszüge von Heinz Speet, 49, verfinstern sich, wenn er auf die Vorwürfe angesprochen wird. Denn eigentlich gibt es viel Positives über den Textil-Discounter Kik aus Bönen zu berichten, meint Speet, der einer von vier geschäftsführenden Gesellschaftern ist und zugleich als Nachfolger von Firmenchef Stefan Heinig gilt. In der Tat ist die Entwicklung des vor 14 Jahren gegründeten Billigheimers eigentlich eine großartige Erfolgsgeschichte.
Im Schnitt eröffnet das Unternehmen an jedem Arbeitstag eine neue Filiale. Exakt 2543 waren es am Dienstagmorgen. Heute dürften es schon wieder mehr sein. Kik ist somit auch Arbeitsplatzlieferant. Zwischen 15 000 und 16 000 Beschäftigte sind es aktuell. Ganz genau ist das nie zu ermitteln, weil die Zahl der Arbeitsplätze täglich steigt. Auch beim Umsatz macht Kik jedes Jahr Sprünge. Im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr waren es 1,5 Milliarden Euro.
Und dann sind da noch die Preise: 4,99 Euro für eine Kinderjeans, 1,99 Euro für ein T-Shirt. Für 30 Euro kann ein Kind komplett eingekleidet werden, für 50 Euro ein Erwachsener. Kik befriedigt so gesellschaftliche Bedürfnisse. "Zu uns kommen in erster Linie preisbewusste Familien, Mütter mit Kindern, aber auch die sozial Schwachen, Niedrigverdiener und Schnäppchenjäger", sagt Speet.
Doch weil die Preise so niedrig sind, sehen sich Kik-Gründer Stefan Heinig und der Rest der Geschäftsführung ständigen Vorwürfen ausgesetzt. Immer wieder ist von Ausbeutung die Rede. Das fängt bei den Lieferanten an. Produziert wird überall auf der Welt, auch in Deutschland, vor allem aber in Asien. Das Problem der Kinderarbeit in Asien ist in der Textilbranche allgemein bekannt. Möglicherweise wird auch manche Kik-Textilie von Kindern zusammengenäht. "Wir können Kinderarbeit bei der Produktion unserer Waren nicht zu 100 Prozent ausschließen", sagt Speet. Was auch für die kommenden Jahre gilt.
Der Textil-Discounter lässt nach eigenen Angaben beinahe in jedem asiatischen Land produzieren. Große Probleme sieht Speet aber vor allem in Bangladesch und in China. "In diesen Ländern haben Lieferanten noch einmal Sublieferanten. Da fällt Kontrolle unheimlich schwer." Tatenlos schaut das Unternehmen allerdings nicht zu. So arbeite man mit anerkannten Prüf-Instituten zusammen.
In Bangladesch, das man als höchsten Risikomarkt ansieht, hätten die Institute begonnen, alle Zulieferer zu prüfen. "Wir haben das Problem erkannt und arbeiten daran", sagt Speet. Das Aktionsnetzwerk "Aktiv gegen Kinderarbeit" in München bestätigt dies, bemängelt aber, dass Kik nicht bekannt gibt, wo die Produktionsstandorte liegen und wie die Zulieferer heißen.
Probleme gibt es für Kik aber auch zur Genüge auf dem Heimatmarkt. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte im November erst Strafanzeige gestellt wegen Lohndumpings. Die Staatsanwaltschaft wurde daraufhin aktiv, stellte die Ermittlungen aber nach kurzer Zeit wieder ein. "Wir bezahlen unseren Aushilfen mindestens 6,50 bis 7 Euro brutto in der Stunde. Das entspricht dem Marktwert", sagt Speet. Für Überstunden gebe es Freizeitausgleich.
Die Probleme, in denen Kik steckt, sind zu einem Großteil aber auch hausgemacht. Da ist vor allem die Geheimniskrämerei um Geschäftspraktiken. Über die Aktivitäten des Unternehmens, über dessen Arbeitsweise, über den Umgang mit Mitarbeitern ist wenig bekannt. Ein gefundenes Fressen, etwa für Verdi. Es existiert zwar ein Verhaltenskodex, der auch auf der Kik-Internetseite nachzulesen ist. Ob dieser umgesetzt wird, ist nur schwer nachzuvollziehen, denn ein eigener Betriebsrat exisiert nicht. "In der Kommunikation haben wir in der Vergangenheit Fehler gemacht, daran arbeiten wir", gibt Speet zu.
Geheimnisumwoben ist auch die Führungsebene um Kik-Chef Heinig. Von ihm ist so gut wie nichts bekannt, Fotos gibt es nicht. Auch Speet will sich mit dem Verweis auf den Schutz der Privatsphäre nicht ablichten lassen. Die WAZ ist eine der wenigen Zeitungen, der überhaupt Zugang zur Firmenzentrale in Bönen am Ostrand des Ruhrgebiets gewährt wurde. In der Eingangshalle liegt teurer Steinboden aus, der so gar nicht zur einfachen Ausstattung passt. Den hatte sich Heinig von einem italienischen Lieferanten zu Sonderkonditionen verlegen lassen, wofür dieser den Boden wiederum als Referenzobjekt vorzeigen durfte.
In den angeschlossenen riesigen Lagerhallen werden jeden Tag bis zu 170 000 Kartons mit Ware verteilt. Kik verfügt über eine eigene Qualitätsabteilung mit Labor. Hier werden die Kleidungsstücke geprüft, auf Ausbleichung, Einlaufen oder auf Giftstoffe. "Unsere Qualität ist nachweislich gut", sagt Speet im Stil eines Werbe-Experten und zeigt im Besprechungszimmer auf ein Plakat an der Wand. Dort prangt der Stempel von Öko-Test: Schwarze Socken, Qualitätsurteil gut, Jugend-Schlafanzug, sogar sehr gut. "Sehen Sie", sagt Speet mit ein wenig Stolz in der Stimme.Foto: WAZ, Graben