Die Staatsanwaltschaft will ausleuchten, was der Ex-VW-Chef und heutige Aufsichtsratsvorsitzende von dem Sonderkonto für Lustreisen wusste. Audi-Chef Stadler wird als Zeuge der Anklage geladen

Braunschweig. Um 10.38 Uhr hat Oberstaatsanwalt Ralf Tacke seinen großen Auftritt: Es gebe Zeugen für eine mögliche Verwicklung Ferdinand Piéchs in die VW-Affäre, ließ der Vertreter der Anklage wissen. Tacke beantragt, drei prominente Zeugen vor Gericht zu laden und zu vernehmen: Ex-VW-Finanzvorstand Bruno Adelt, den früheren Leiter des Sekretariats von Ferdinand Piéch, Rupert Stadler, heute Audi-Chef, sowie Ex-VW-Finanzmanager Rutbert Reisch.

Zwischen 1997 und 2002, so der Ankläger, soll der EX-VW-Chef Piéch vom damaligen Finanzvorstand auf Unregelmäßigkeiten auf dem Vorstandskonto "1860" angesprochen worden sein. Über dieses Konto wurden auch die Zahlungen in der VW-Affäre abgewickelt. Als Quelle nennt der Oberstaatsanwalt einen unbekannten Informanten eines Radio-Senders. Nach dessen Informationen seien Stadler und Reisch schließlich von Piéch beauftragt worden, das Konto 1860 zu überprüfen.

Oberstaatsanwalt Tacke erklärt dazu: "Lebensnah ist es anzunehmen, dass Herr Piéch auch über das Ergebnis der von ihm angeordneten Untersuchung ins Bild gesetzt wurde." Die Richterin Gerstin Dreyer ordnet daraufhin die Ladung der Zeugen an. Jetzt geht es nur noch um die Termine für diese Befragung, die möglicherweise Folgen für den heutigen VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piéch haben könnte.

VW reagiert gestern prompt und bestreitet den gesamten Vorgang. In einer umgehend herausgegebenen Erklärung heißt es: "Die Behauptung, dass bei Volkswagen zwischen den Jahren 1997 und 2002 eine Untersuchung der Kostenstelle "1860" des Herren Dr. Hartz stattgefunden habe und dadurch Kenntnis über die Veruntreuungen der Herren Volkert und Gebauer bestand, ist falsch." Der Konzern und sein damaliger Vorstandsvorsitzender Piéch hätten keinerlei Kenntnis von Veruntreuungen. Volkswagen prüft Strafanzeige wegen Verleumdung.

Im Gericht wird derweil die Befragung der Angeklagten, Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert und der ehemalige Personal-Manager Klaus-Joachim Gebauer, fortgesetzt. Nach einer halben Stunde platzt Volkerts Verteidiger Johann Schwenn der Kragen. "Ihr Ziel ist eindeutig: Maximale Bloßstellung des Angeklagten!", herrscht er Staatsanwalt Tacke an, weil dieser Details aus dem Verhältnis von Ex-Betriebsratschef Volkert und seiner brasilianischen Geliebten hören will.

"Bei Dr. Hartz war dieser Detail-Reichtum nicht gefragt", wirft Verteidiger Schwenn der Staatsanwaltschaft vor und spielt auf die Abmachung, den so genannten "Deal" mit dem früheren Arbeitsdirektor Hartz an: Dieser hatte gegen ein Geständnis einen kurzen Prozess und eine milde Strafe bekommen - ohne detaillierte Fragen nach seinem Liebesleben.

"Was man Dr. Hartz als Geschenk anbot, sollte auch für Dr. Volkert gelten", fordert Schwenn und legt nach: "Es gibt Verfahren erster Klasse, zweiter und dritter. Und bei der Reichsbahn gab's sogar die vierte. Dr. Volkert soll offenbar in der vierten fahren." Selbst die Richterin will nicht wissen, wie Volkert seine Geliebte kennengelernt hatte.

Es ist frostig gestern, nicht nur draußen vor dem Gericht. Auch das Verhältnis zwischen Richter und Staatsanwälten hat sich spürbar abgekühlt: Keine Frage, die Staatsanwalt Tacke an Volkert richtet, will die Richterin übernehmen: Sie schweigt - und so darf auch der Angeklagte schweigen.

Volkert dreht minutenlang stumm den roten Verschluss seiner Wasserflasche und blickt vor sich hin - grimmig.