Moskau/Brüssel. Kurz nach Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen über die Ukraine sind neue Hindernisse für die Weiterleitung an die EU-Staaten aufgetreten. Moskau und Kiew gaben sich gegenseitig die Schuld. Kiew führt "technische Schwierigkeiten" bei Gaslieferungen an.
Die Ukraine hat am Dienstag nach EU-Angaben technische Schwierigkeiten für die ausbleibenden Gaslieferungen nach Europa verantwortlich gemacht. Der Druck des russischen Gases in den ukrainischen Leitungen sei nicht hoch genug, sagte EU-Ratspräsident Mirek Topolanek am Dienstag in Brüssel nach einem Telefonat mit der ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko. Er habe Timoschenko empfohlen, sofort Kontakt zu Spezialisten des Industrieverbandes Eurogas aufzunehmen, sagte Topolanek. Diese seien bereit zu helfen. Timoschenko habe versprochen, dies zu tun.
Besonders stark betroffen von dem Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine sind Bulgarien und die Slowakei. Die Regierungsschefs beider Länder - Sergej Stanischew und Robert Fico - wollen am Mittwoch nach Moskau reisen und mit Ministerpräsident Wladimir Putin über die Krise sprechen. Das kündigte der russische Regierungschef an.
Russland und Ukraine werfen sich gegenseitig Blockade vor
Kurz nach Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen über die Ukraine sind am Dienstag neue Hindernisse für die Weiterleitung an die EU-Staaten aufgetreten. Moskau und Kiew gaben sich gegenseitig die Schuld. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso telefonierte mit dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin, um sich über das Ausbleiben der Gaslieferungen und Behinderungen beim Einsatz der EU-Beobachter zu beschweren.
Der stellvertretende Chef des russischen Staatskonzerns Gazprom, Alexander Medwedew, erklärte, die Ukraine halte die Transitleitungen geschlossen. In Kiew hieß es hingegen, das Gas sei von Russland über eine für den Transit völlig ungeeignete Route eingespeist worden.
Arbeit von EU-Beobachtern behindert
Die zur Überwachung des Gastransits eingesetzten EU-Beobachter berichteten, am Vormittag sei zunächst nur sehr wenig Gas von Russland in Richtung Ukraine geleitet worden. Am Einspeisepunkt Sudja auf der russischen Seite der Grenze sei ein geringer Gasstrom gemessen worden, sagte ein Experte der EU-Kommission in Brüssel. Von dort solle das Gas nach Orlowka im Südwesten der Ukraine geleitet werden, «und das ist keine ganz einfache Route», sagte der Energie-Experte. Russland habe für den heutigen Dienstag zunächst die Lieferung von 76 Millionen Kubikmetern Erdgas angekündigt.
Die EU-Beobachter konnten sich zunächst keinen kompletten Überblick verschaffen, weil sie nur beschränkt Zugang zu den Erdgas-Verteilerknoten in Moskau und Kiew erhielten. «Sie haben keinen Zugang zu den eigentlichen Kontrollräumen, in denen sie die Gasvolumen überprüfen könnten», sagte Kommissionssprecher Ferran Tarradellas Espuny.
Russland hatte nach eigenen Angaben um 08.00 Uhr (MEZ) nach einer Woche Unterbrechung wieder damit begonnen, Gas über die Ukraine in Richtung EU zu pumpen. Die Ukraine selbst erhält wegen des Streits über die Preise für das laufende Jahr und über die Transitgebühren weiter kein russisches Gas.
Slowakei will Atomreaktor wieder hochfahren
Die slowakische Regierung bekräftigte am Dienstag ihre Absicht, wegen der ausbleibenden Gaslieferungen einen auf Druck der EU stillgelegten Atom-Reaktor wieder hochzufahren. Die Stromversorgung sei nur noch für wenige Tage gesichert, erklärte Ministerpräsident Robert Fico in Bratislava. Seine Regierung werde den Reaktor zwei des Atomkraftwerks Jaslovske Bohunice neu starten, «wenn es kritisch wird», sagte Fico.
Die EU-Kommission erklärte dazu, sie erwarte von der slowakischen Regierung eine ausführliche Begründung ihres Vorhabens und werde diese «im Lichte der außergewöhnlichen Situation» analysieren. Ein Neustart des Reaktors wäre aber ein klarer Rechtsverstoß, weil die Abschaltung schon vor der Aufnahme der Slowakei in die EU 2004 vertraglich vereinbart worden sei.
Auch die bulgarische Regierung hat angekündigt, sie werde bei ausbleibenden Gaslieferungen das Atomkraftwerk Kozloduj wieder ans Netz bringen. Nach Angaben der EU-Kommission wäre dazu eine Genehmigung aus Brüssel erforderlich. (AP/AFP)
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