Berlin. Bayer gelingt die teuerste Übernahme eines deutschen Konzerns im Ausland. Doch der Chemiekonzern Monsanto bringt ein Imageproblem mit.
- Bayer und Monsanto haben eine bindende Fusionsvereinbarung unterzeichnet
- Der Leverkusener Konzern zahlt umgerechnet 59 Milliarden Euro für den US-Saatguthersteller
- Noch nie hat ein deutscher Konzern so viel für eine Übernahme gezahlt
Werner Baumann legt ein ordentliches Tempo vor. Nach nicht einmal drei Wochen als Bayer-Chef hat er am 18. Mai die Übernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto angekündigt – immerhin die größte eines deutschen Konzerns im Ausland. Es könne lange dauern, sagte er damals. Jetzt, knapp vier Monate und einige zähe Verhandlungen später, ist Baumann am Ziel: Deutschlands größter Pharma- und Agrochemiekonzern schluckt Monsanto. Bayer steigt damit zur Nummer eins der Welt bei Saatgut und Pflanzenschutz auf, kauft sich aber auch Probleme ein.
Das Geschäft lassen sich die Leverkusener 66 Milliarden Dollar (59 Milliarden Euro) kosten. Dreimal musste Baumann das Angebot aufstocken, bis die Monsanto-Spitze um Chef Hugh Grant akzeptierte. Gestartet war Bayer bei 62 Milliarden Dollar. Der letzte Nachschlag – 44 Prozent mehr, als Monsanto Mitte Mai an der Börse wert war – überzeugte offenbar Grant und auch den Aufsichtsrat. Am Dienstag (Ortszeit) stimmten sie zu, am Mittwoch gab der Bayer-Aufsichtsrat Baumann freie Hand.
Gelächter in der Telefonkonferenz
In einer Telefonkonferenz aus New York wird am Mittwoch deutlich, dass Baumann und Grant hart verhandelt haben, sich aber auch recht gut verstehen. Gelächter ist normalerweise recht selten, wenn zwei Konzernchefs den Sinn einer Multimilliardenübernahme erklären. Es ist viel die Rede von hohen Forschungs- und Entwicklungsausgaben, Bayer und Monsanto steckten 2015 insgesamt 2,5 Milliarden Dollar in neue Produkte. Für 2016 dürfte der Wert höher liegen.
Baumann und Grant betonen denn auch, sie setzten auf innovative Produkte, nicht so sehr darauf, das Bestehende zu kombinieren. Beide Unternehmen arbeiten etwa am Digital Farming, bei dem der Landwirt zum Beispiel den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutz je nach Bedarf auf einem Feld per iPad steuern kann.
Das Kalkül hinter dem Geschäft ist einfach
Das Kalkül hinter der Übernahme: Die Weltbevölkerung wächst, die Landwirtschaftsfläche wird schrumpfen, stagniert im besten Fall. Alles, was den Ertrag verbessert, etwa Saatgut, dass auch auf trockenen Böden wächst, oder den Verlust landwirtschaftlicher Produkte verhindert wie Mittel gegen Schädlinge, wird dringend nachgefragt werden. Wer hier ganz vorn ist, profitiert künftig besonders.
Der Übernahmezeitpunkt ist geschickt gewählt. Monsanto galt als angeschlagen, die Amerikaner waren gerade damit gescheitert, den Schweizer Agrochemiekonzern Syngenta zu schlucken. Zudem ist die Agrochemiekonkurrenz beschäftigt: Der chinesische Staatskonzern Chemchina kauft Syngenta, die US-Riesen Dow Chemical und Dupont fusionieren, um sich danach in drei Einzelkonzerne aufzuspalten – Agrarchemie, Spezialchemie, Kunststoffe. Und der Chemiekonzern BASF, bei Agrarchemie Konkurrent von Bayer, hatte kein Interesse an Monsanto gezeigt.
Monsanto ist einer der meistgehassten Konzerne weltweit
Jetzt also kann Baumann die Amerikaner integrieren. Das Saatgutgeschäft wird künftig aus der Monsanto-Zentrale in St. Louis/Missouri gesteuert, das Pflanzenschutzgeschäft von Monheim in Nordrhein-Westfalen aus. Dort wird auch die Agrochemiesparte ihren Sitz haben. Die Leverkusener versprechen sich jährliche Synergien von mindestens 1,5 Milliarden Dollar nach drei Jahren. Vier Fünftel entfallen danach auf niedrigere Kosten, ein Fünftel auf einen optimierten Verkauf.
Allerdings übernimmt Bayer mit Monsanto auch ein Imageproblem. Denn die Amerikaner gelten als einer der meistgehassten Konzerne weltweit – wegen ihrer aggressiven Verkaufspolitik etwa. Zudem stellt Monsanto den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat her, der meistverbreitete Unkrautvernichter weltweit. Bayer-Chef Baumann spricht von einer herausfordernden Situation, was das Ansehen angeht, sieht aber kein großes Problem. Ob der Name „Monsanto“ erhalten bleibt, ist offen.
57 Milliarden Dollar Überbrückungskredit
Bayer bezahlt den Kauf weitgehend in bar, die Aktionäre sehen also Geld, keine Aktien. Vorgesehen ist, das Geschäft mit Krediten und aus einer Bayer-Kapitalerhöhung zu finanzieren. Bis das geklärt ist, hat sich Bayer Kredite über 57 Milliarden Euro bei den Großbanken Bank of America Merrill Lynch, Goldman Sachs und JP Morgan (alle USA), Credit Suisse (Schweiz) und HSBC (Großbritannien) gesichert.
Wie genau das neue Unternehmen zusammenwachsen soll, wollen die Parteien in den kommenden Monaten klären, sagt Monsanto-Chef Grant. Ob Mitarbeiter gehen müssen, ist noch nicht klar. Und auch die Kartellbehörden müssen noch zustimmen. Bayer-Chef Baumann nennt gut 30 weltweit. Er und Grant fürchten aber keine größeren Schwierigkeiten. Die Überschneidungen seien minimal, sagt Grant. „Das hat uns angespornt, als wir uns das Geschäft angesehen haben.“