Berlin. Bisher haben nur 125 Flüchtlinge einen festen Job in den Dax-Firmen. Ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel soll das ändern.
Es sind Zahlen wie diese, die bislang am Engagement der Konzerne für die Integration von Flüchtlingen zweifeln lassen: Beim Sportartikelhersteller Adidas etwa ist derzeit genau ein Flüchtling fest angestellt. Immerhin: 30 Migranten haben in diesem Jahr einen Praktikumsplatz in der Firma bekommen. Eine Sprecherin betonte, man hoffe, dass sich die Praktikanten nach ihrer zweijährigen Integrationsklasse dazu entschließen, eine Ausbildung bei Adidas zu machen.
Bei den übrigen Dax-Konzernen ist die Lage nicht viel besser. Bis Mitte September haben laut dem Recherchenetzwerk correctiv.org die 30 im Dax gelisteten Unternehmen lediglich 125 Geflüchtete eingestellt.
So scheinen die Unternehmen zum Gelingen der Integration also einen eher enttäuschenden Beitrag zu leisten. Am Mittwoch hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) daher Vertreter der Unternehmen, die der Initiative „Wir zusammen“ angehören, ins Kanzleramt geladen. Die Politik will Antworten. Merkel braucht Erfolgsgeschichten, die auch mit der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu tun haben.
Es sind nur wenige in festen Jobs
In dem Programm haben sich Schwergewichte wie Adidas, Lufthansa oder die Telekom zusammengeschlossen, um mit verschiedensten Aktivitäten den „Integrationsprozess“ zu unterstützen, wie es heißt. Doch offenbar mündet die Initiative bislang bei nur bei wenigen Migranten in einen sozialversicherungspflichtigen Job.
So sehen die Flüchtlingsrouten heute aus
Im Juni 2016 waren laut Bundesagentur für Arbeit (BA) 103.000 Arbeitnehmer aus den Asylherkunftsländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 25.000 Personen mehr als noch im Vorjahr. Angesichts von deutlich mehr als einer Million geflüchteter Menschen, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, scheint diese Zahl gering – selbst wenn man Familienangehörige, die nicht auf Arbeitssuche sind, abzieht.
Dabei gaben sich nicht wenige der Unternehmensbosse vor einem Jahr noch euphorisch angesichts der zusätzlichen Arbeitskräfte. Die Hoffnung, dass die Zuwanderung auch den Fachkräftemangel beheben könne, war groß. Doch inzwischen ist klar: Es sind nicht wie erhofft nur Ärzte und Ingenieure gekommen. Die Flüchtlinge seien zu gering qualifiziert und würden die deutsche Sprache nicht verstehen, lautet vielfach die Diagnose in den Chefetagen.
Gabriel mahnt Einigung an
Dass sich Firmen aber nun mit dem Argument der mangelnden Sprachkenntnisse aus der Verantwortung ziehen, will die Bundesregierung nicht gelten lassen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betonte im Vorfeld des Gipfels im Kanzleramt gegenüber dieser Zeitung, dass „die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen eine große Gemeinschaftsaufgabe“ sei.
Offenbar sieht man im Ministerium, dass vor allem große Unternehmen hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben: Die Art und die Beweggründe der Betriebe für ihr Engagement für Flüchtlinge würden variieren, auch nach Unternehmensgröße, sagte eine Sprecherin. „Insbesondere der Mittelstand sei hier sehr aktiv“, sagte sie. Gabriel hatte sich bereits im Juli in einem Brief an die Dax-Bosse gewandt und mehr Einsatz eingefordert. Die Antworten der Dax-Vorstände wird man im Kanzleramt gespannt erwarten.
Tatsächlich zeigen Zahlen der BA, dass Flüchtlinge vor allem in der Zeitarbeitsbranche und dem Gastgewerbe einen Job finden. Vieles sei in der Wirklichkeit der Betriebe aber komplizierter als in der Theorie, klagt auch Albrecht von der Hagen, Geschäftsführer des Verbandes der Familienunternehmen. Bei den 121 Mitgliedsunternehmen seien bisher 480 Flüchtlinge fest angestellt. Außerdem hätten sie 563 Ausbildungsplätze vergeben.
Sprache ist das Hindernis
Doch oft reichten die Deutschkenntnisse der Flüchtlinge nicht, um etwa die Sicherheitsvorschriften eines Gabelstaplers richtig zu verstehen, sagt von der Hagen. Um Unfälle zu vermeiden, würde manche Firma dem Bewerber dann keinen Ausbildungsplatz anbieten.
Damit Unternehmen künftig mehr Flüchtlinge einstellen, fordert der Verband von der Politik Lösungen: Er schlägt einen „trialen“ Ausbildungsgang vor: Schule, Lehre plus Spracherwerb im Betrieb. Dafür müssten allerdings auch Sprachlehrer und Betreuer auf Kosten des Arbeitgebers eingestellt werden. Weil das zusätzliches Geld kostet, sollten die Kommunen beispielsweise 1000 Euro pro Flüchtling und Monat dazugeben und das etwa zwei Jahre lang, so der Vorschlag. Danach sollen die Unternehmen die Ausbildung zwei weitere Jahre alleine finanzieren.
Rechtliche Lage für Firmen zu unsicher
Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) fordert in einem aktuellen Positionspapier neue Ideen: Integrations- und Sprachkurse sollten auch für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und für Geduldete ohne Arbeitsverbot eingeführt werden. Bisher gilt die verpflichtende Teilnahme nur für anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte.
Neben den mangelnden Sprachkenntnissen der Flüchtlinge sei vielfach auch der noch ungeklärte rechtliche Status der Einwanderer ein Grund, weshalb Firmen davor zurückschrecken, Geflüchteten einen Job anzubieten, sagt eine Sprecherin der Initiative „Wir zusammen“. Die Firmen könnten nicht sicher sein, wie lange ihre Bewerber hier bleiben. Möglicherweise könnten dabei aber „verkürzte Ausbildungen“ eine Lösung sein.
Um beispielsweise einen syrischen Klempner auf den Stand der Dinge zu bringen, brauche er vielleicht nicht drei volle Lehrjahre, sondern es reiche eines. Bleibt die Frage, was deutsche Auszubildende davon halten würden. Gesprächsstoff jedenfalls gibt es im Kanzleramt reichlich.