Berlin/Aachen. Der Sommer ist noch nicht vorbei, da türmen sich schon Lebkuchen und Spekulatius. Der Handel nennt das mittlerweile „Herbstgebäck“.

Printen, Spekulatius und Dominosteine stehen pünktlich zum meteorologischen Herbstanfang in den Läden. Der Handel hat Zimtsterne, Dominosteine und Lebkuchen schon seit einiger Zeit schlicht in Herbstgebäck umgetauft – und ist sich sicher: Die Leute greifen zu. Fristen, ab wann welche Süßwaren verkauft werden dürfen, gibt es nicht. Das bestimmt ganz allein der Handel.

„Von Weihnachten haben wir das Gebäck schon lange gelöst, indem wir es mit dem Herbst verbunden haben“, sagt der Inhaber des Printen-, Stollen- und Lebkuchenherstellers Lambertz, Hermann Bühlbecker. Die Diskussion, wann das Herbstgebäck in die Läden darf, ist für ihn belanglos. In Russland oder in Ländern Südamerikas verkaufe er Printen und Lebkuchen sogar das ganze Jahr über. Das ist in Deutschland nur in Städten wie Aachen, Nürnberg und Dresden der Fall.

Handel: Es kommt nicht immer früher

Lebkuchen in der Spätsommersonne...
Lebkuchen in der Spätsommersonne... © dpa

Dass diese Artikel immer früher angeboten werden, sei eine Mär, teilte der Handelsverband Deutschland mit. Erfahrungsgemäß gebe es Anfang September bereits eine ausreichend große Nachfrage. Das eigentliche Massengeschäft komme aber erst noch.

Weihnachtsmänner aus Schokolade stünden erst ab Mitte Oktober in den Läden. Diese seien für die meisten Verbraucher – anders als Spekulatius oder Lebkuchen – fest an die Weihnachtstage gekoppelt, erklärte der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI), Torben Erbrath. Aber auch mit den derzeit noch sommerlichen Temperaturen seien Schoko-Weihnachtsmänner nicht zu vereinbaren.

Jeder Deutsche verputzt fast ein Kilo

Der jährliche Verbrauch des „Herbstgebäcks“ liegt seit mehreren Jahren bei rund 900 Gramm pro Person. Deutsche Hersteller produzierten im vergangenen Jahr etwa 81.000 Tonnen. Hergestellt wird das Herbstgebäck bereits seit Juni, teilte eine Sprecherin von Bahlsen aus Hannover mit. Auch die Lieferung ins Ausland habe schon begonnen. Dort seien vor allem die unterschiedlichsten Lebkuchen ein Verkaufsschlager.

„Die durchgängige Kommerzialisierung der christlichen Feste ist uns nicht recht“, meint der Vizepräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thies Gundlach. Sowohl der Zeitpunkt des Verkaufs als auch die Bezeichnung „Herbstgebäck“ sind ihm ein Dorn im Auge.

Die Herkunft werde damit bewusst unsichtbar gemacht. Der Advent, für den das Gebäck wie Spekulatius eigentlich gebacken wurde, sei eine Bußzeit – eine Zeit der Bescheidenheit. Früher hätten die Menschen sogar gefastet und sich daher mit dem etwas trockeneren Gebäck begnügt. All das, um sich auf Weihnachten vorzubereiten. Ohne dieses Bewusstsein gehe der Sinn der Leckereien verloren. „Dann können Sie auch ganz normalen Kuchen essen“, sagt Gundlach.