Berlin. Beschäftigte fehlen im ersten Halbjahr im Schnitt 12,3 Tage. Der Anstieg der Krankheitstage liegt vor allem an zwei Krankheitsarten.

Wenn der Rücken schmerzt oder die Nase und Bronchien verschleimt sind, quälen sich offenbar immer weniger Arbeitnehmer krank zum Job. Vielmehr bleiben sie zu Hause und kurieren sich aus – wie es ihre Ärzte empfehlen. Der Krankenstand in Unternehmen ist damit in den ersten sechs Monaten mit 4,4 Prozent auf den höchsten Stand seit 20 Jahren gestiegen. Dies waren 0,3 Prozentpunkte mehr als im Vorjahreszeitraum. Am höchsten lag der Krankenstand 1995 mit 5,1 Prozent.

Konkret heißt dies: Mehr als jeder dritte Berufstätige (37 Prozent) wurde im ersten Halbjahr mindestens einmal krank geschrieben. Dabei gab es anders als 2015 in diesem Jahr nicht einmal eine starke Erkältungswelle. Im Schnitt fehlten die Beschäftigten 12,3 Tage – im Vorjahr waren es nur 11,7 Tage. Dies geht aus einer Analyse der Krankenkasse DAK-Gesundheit hervor, für die 2,6 Millionen Versichertendaten ausgewertet wurden. Hauptgründe für den Anstieg sind eine Zunahme von Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie psychischen Leiden. Die Anzahl der Fehltage stieg in diesen Bereichen um je 13 Prozent an.

Frauen leider häufiger an Depressionen als Männer

Die meisten Bundesbürger leiden unter drei Krankheitsarten: Mehr als die Hälfte aller Fehltage entstehen wegen Rückenleiden, Atemwegserkrankungen oder psychischen Krankheiten, heißt es in dem Report. Vor allem Frauen fehlen wegen Depressionen oder ähnlicher Erkrankungen fast doppelt so häufig wie Männer. Im Schnitt fielen sie 35 Tage aus – und damit sogar länger als Krebserkrankte, deren Fehltage im Schnitt auf 32 Tage beziffert werden.

Männer werden dagegen häufiger als Frauen von Muskel-Skelett-Erkrankungen heimgesucht. Da Deutschland in diesem Jahr von einer starken Erkältungswelle verschont blieb, sanken die Krankheitsausfälle im Bereich der Atemwegserkrankungen auf 17,4 Prozent nach 20,4 Prozent im Vorjahr. Regional unterscheiden sich Ost- und Westdeutschland: So liegt der Krankenstand bei Berufstätigen in den neuen Bundesländern bei 5,5 Prozent, während er in den alten nur 4,2 Prozent beträgt.

Gute Wirtschaftslage trägt auch zum Krankenstand bei

Der Anstieg der Krankheitstage hat vielfache Ursachen. Es klingt paradox, aber auch die gute Konjunktur könnte zu dem Hoch einen Beitrag geleistet haben. Ist die Wirtschaftslage gut, steige der Krankenstand tendenziell an, berichtet die DAK-Sprecherin Dagmar Schramm. Die Beschäftigten müssten in dieser Situation nicht so sehr um ihren Job fürchten, wenn sie sich krankmeldeten. Schwächele die Konjunktur, sinke in der Regel auch der Krankenstand. Aus Furcht vor einem Arbeitsplatzverlust schleppten sich dann mehr Menschen krank zu ihrem Arbeitgeber.

Als weitere Ursachen für Erkrankungen wird die Arbeitsverdichtung gesehen. Durch Rationalisierungen und Personalabbau würden viele Beschäftigte stärker belastet. Dies könne nicht nur zu kurzfristigen Leiden, sondern auch zu langwierigen Erkrankungen der Psyche oder zu Burn-out führen. „Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung zählen bei Betriebsräten derzeit zu den Hauptthemen“, berichtet Elke Ahlers, Arbeitsmarktforscherin des Wirtschaftsinstituts WSI der Hans-Böckler-Stiftung. „Die Arbeitgeber müssten hier noch sehr viel mehr unternehmen, um den Arbeitsdruck zu reduzieren.“

Lohnfortzahlungen kosteten 2014 insgesamt 43,5 Milliarden Euro

Die Unternehmen sehen sich auf gutem Weg. Die Arbeitgeber engagieren sich „im Rahmen ihrer Einflussmöglichkeiten, um die psychische Gesundheit ihrer Beschäftigten zu erhalten“, sagte ein Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). „Die Gesundheit ihrer Beschäftigten liegt im ureigenen Interesse der Arbeitgeber.“ Krankheit ist auch ein Kostenfaktor. Die Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall betrugen 2014 geschätzt 43,5 Milliarden Euro, sagt Christiane Flüter-Hoffmann vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Ihre Ausgaben für Gesundheitsschutz erhöhten die Arbeitgeber seit dem Jahr 2000 von 704 auf 960 Millionen Euro.