FRANKFURT. Dünne Luft für die Lufthansa: Die Kranichlinie fliegt dem Erfolg hinterher. Zu strukturellen Defiziten kommt jetzt noch Terrorangst.

Die Zukunft ist ungewiss für die größte deutsche Fluggesellschaft, die Lufthansa. So ungewiss, dass die Manager eine konkrete Gewinnprognose scheuen. Eigentlich hatte die Kranichlinie den Vorjahresgewinn von 1,8 Milliarden Euro vor Zinsen und Steuern noch übertreffen wollen. Inzwischen ist man sich noch nicht einmal sicher, den erreichen zu können. Das billige Kerosin hilft, verdeckt aber auch manches strukturelle Problem. Im zweiten Quartal ging der Nettogewinn jedenfalls um 17 Prozent zurück auf 437 Millionen Euro.

Die Terrorangst in Europa hat die Buchungen einbrechen lassen. Dabei sind es nicht nur die Europäer, die weniger reisen. Sie meiden Urlaubsflüge in die Türkei oder nach Tunesien. Was die Kranichlinie noch mehr schmerzt, sind die zurückgehenden Buchungen auf der Langstrecke: In den USA etwa gibt es wegen der Terrorwelle eine Reisewarnung für Europa. So seien die Gruppenbuchungen aus Asien rückläufig, berichtete die scheidende Finanzchefin Simone Menne am Dienstag. Das Geschäft von und nach Südamerika aber lahmt wegen der schlechten Konjunkturlage dort. Flüge nach Venezuela etwa hatte die Lufthansa eingestellt.

Sorge um das wichtige Sommer-Quartal

Hinzu kommen politische Unsicherheiten. So spürt die Fluggesellschaft die Folgen des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei: Statt einstmals aus München, Wien, Zürich und natürlich von der Heimatbasis Frankfurt fliegt Lufthansa nun nur noch dreimal täglich von Frankfurt nach Istanbul, die Flüge aus Zürich in die türkische Metropole werden Ende Oktober eingestellt. Und selbst auf diesen wenigen Verbindungen ist Lufthansa noch flexibel und setzt gegebenenfalls kleinere Flugzeuge ein. Für das dritte Quartal erwarten Analysten jedenfalls keine deutliche Besserung – und das Sommerquartal ist traditionell das wichtigste für die Fluggesellschaft.

Im ersten Halbjahr hat die Lufthansa zwar im Passagiergeschäft mehr verdient: 387 Millionen Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern flog sie ein, gut 280 Millionen Euro mehr als ein Jahr zuvor. Geschafft hat sie das aber nur mit „strikter Kapazitätsdisziplin“. Will heißen: Lufthansa hat weniger Flugzeuge an den Start geschickt als noch ein Jahr zuvor, dadurch stieg die Auslastung. Aber sie verzichtet eben auch auf bisher lukrative Strecken.

Golf-Airlines und Billigflieger enteilen

Allein 22 Langstreckenziele hat sie in den letzten zehn Jahren aus dem Flugplan genommen, darunter Abu Dhabi, Dubai, Jakarta, Kuala Lumpur oder Manila. Sie lohnen sich für Lufthansa nicht mehr. Vor allem auf der Asienroute macht ihr die Konkurrenz der Golf-Airlines wie Emirates oder Etihad zu schaffen. Die sammeln in Europa ihre Kunden ein und bringen sie an den Golf, dort fliegen sie dann etwa von Abu Dhabi oder Dubai weiter an ihr Ziel in Asien – zu günstigeren Preisen und mit mehr Komfort als lange bei der Lufthansa üblich. Die habe aber inzwischen auf der Langstrecke ein gutes Produkt, sagen Analysten. Die größere Herausforderung sehen sie im Wettbewerb mit Billigfliegern.

Ryanair, Easyjet und Co. machen der Lufthansa seit Jahren das Leben schwer. Mit dem Eurowings-Ausbau steuert man gegen, kämpft aber immer noch mit zu hohen Kosten. Deshalb sind die Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften so belastend: Mit der Flugbegleitergewerkschaft Ufo hat sich die Linie zwar geeinigt, die letzte Zustimmung steht noch aus, dürfte aber kein Problem sein. Das allein werde die Lufthansa auf längere Sicht deutlich entlasten, meint Finanzchefin Menne.

Hoffnung auf sinkende Kosten

Eine Einigung im mehrjährigen Tarifstreit mit den Piloten scheint auch in Sicht. Am Freitag wollen die Tarifparteien ihre „konstruktiven“ – so Konzernchef Carsten Spohr – Gespräche beenden. Wie teuer ein Kompromiss wird, das wird sich dann zeigen. Die Stückkosten, also die Kosten pro Sitzplatzkilometer, würden ohnehin im laufenden Jahr sinken – allein im zweiten Halbjahr um zwei bis drei Prozent. Aber man müsse auch auf die Erträge pro Sitz schauen, meint Guido Hoymann, Analyst des Bankhauses Metzler. Und die dürften im zweiten Halbjahr um acht bis neun Prozent zurückgehen, im Gesamtjahr um etwa sechs Prozent. Die Kostenreduktion reiche also nicht aus. Denn das Drücken von Kosten beherrschen Billigflieger.

Der Ausblick für das laufende Jahr sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Fluggesellschaft auf lange Jahre in dieser Zwangslage bleiben wird: Die Kostenreduktion muss weitergehen. Für Analyst Hoymann vom Bankhaus Metzler stellt sich deshalb die Systemfrage: Lufthansa fliege aus historischen Gründen in einem Streckennetzwerk: Aus vielen kleineren Flughäfen werden die Passagiere zu den Knotenpunkten, den „hubs“ gebracht und von dort weiterverteilt.

Verbraucher sind die Gewinner

Viele dieser Strecken lassen sich aber kaum noch wirtschaftlich betreiben. „Das Streichen einer Verbindung ist aber sehr schwierig“, meint Hoymann, so sei die Ineffizienz im System programmiert. Strecken, die wirtschaftlich betrieben werden können, die also höhere Gewinne abwerfen, sind auch attraktiv für diejenigen Fluggesellschaften, die nur Direktverbindungen anbieten – im Wesentlichen sind das wiederum die Billigflieger. „Die Antwort, die Lufthansa mit Eurowings darauf gibt, ist prinzipiell richtig“, meint der Analyst. Doch der Preisdruck setze sich immer weiter fort: „Dieser Prozess ist noch nicht zu Ende.“

Nur die Verbraucher profitieren von dieser Lage. Denn die Flugpreise werden weiterhin sinken. Irgendwann werde es jedoch eine Marktkonsolidierung geben müssen. Lufthansa will zwar dabeibleiben. Aber es wird immer schwerer für den Kranich.