Berlin. Die Hersteller von Puzzles und Spiele- Klassikern verzeichnen trotz Smartphones und Tablets Zuwächse. Was ist daran noch attraktiv?
Sei es der Klassiker „Mensch-ärgere-dich-nicht“ oder das gerade zum Spiel des Jahres gekürte Sprachjonglierspiel „Codenames“: Gesellschaftsspiele erfreuen sich wachsender Beliebtheit – bei einer weitläufigen Zielgruppe.
Kinder, Jugendliche und Erwachsene entdecken Gesellschaftsspiele wieder für sich. Branchenvertreter sprechen von einem Aufschwung, der sich seit einiger Zeit abzeichne. „Wir bemerken, dass der Umsatz seit zwei, drei Jahren wieder deutlich nach oben geht“, sagt Hermann Hutter, Geschäftsführer des Unternehmens Hutter Trade und Vorsitzender des Interessenverbandes Spieleverlage.
Abbau von Alltagsstress
Tatsächlich hat die Branche im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent zugelegt. Erstmals knackte sie 2015 nach Angaben des Deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie (DVSI) die Umsatzmarke von drei Milliarden Euro. Im Vorjahr hatte der Umsatz bei 2,8 Milliarden Euro gelegen. Die Bilanz steigt seit 2009 kontinuierlich. Neben Lizenz-Produkten im Zusammenhang mit beispielsweise den Minions oder Star Wars legte demnach vor allem der klassische Spiele- und Puzzlemarkt kräftig zu.
Die Hersteller erkennen eine Rückbesinnung der Kunden auf das gesellige Beisammensein beim Spielen. Oswald Hertlein, Geschäftsführer von Noris-Spiele, spricht von einer „Entschleunigung vom Alltagsstress“ beim Spielen in Zeiten digitaler Hektik. Die Tochterfirma von Simba Dickie erzielte 2015 ein Umsatzplus von neun Prozent auf etwa 17 Millionen Euro, in den ersten vier Monaten 2016 kletterten die Erlöse sogar um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Die meisten Kinder besitzen Brettspiele
Von dem parallelen Aufschwung der digitalen Spieleindustrie fühlen sich die Unternehmen nicht bedroht. „Zwar sind auch Spiele-Apps im Aufwind, das geht aber eher zu Lasten anderer Freizeitaktivitäten“, sagt Hermann Hutter. „Typischerweise spielen die Leute in der Bahn auf ihrem Handy, das ist sowieso kein Ort für ein klassisches Brettspiel.“ Die Vorteile eines Gesellschaftsspiels könne die Digitalisierung nicht aufheben: „Wichtig ist die soziale Komponente: Die Spieler sitzen gemeinsam am Tisch und haben Spaß anstatt allein vor dem Computer.“
Diese Einschätzung bestätigen die Umsatzzahlen des größten deutschen Spielehersteller. Ravensburgers wichtigster Geschäftsbereich Spiele, Puzzle, Beschäftigung legte im vergangenen Jahr um 9,3 Prozent zu und erbrachte einen Umsatz von 331,7 Millionen Euro. Dazu sagt der Vorstandsvorsitzende der Ravensburger Gruppe, Karsten Schmidt: „In Deutschland beispielsweise sind traditionelle Spielwaren in den letzten fünf Jahren stärker gewachsen als digitale Spiele. Haptik ist für Kinder nun mal unverzichtbar, sie brauchen und wollen etwas zum Anfassen.“
Neue Spielideen sind immer gefragt
Das zeigt auch die KidsVerbraucheranalyse 2015 der Egmont Ehapa Media. Dort gaben 88 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen an, Brettspiele zu besitzen. Und offenbar liegen diese auch nicht nur ungenutzt im Regal: 62 Prozent der Sechs- bis Neunjährigen spielen demnach mindestens einmal pro Woche Brettspiele, bei den Zehn- bis 13-Jährigen sind es 50 Prozent. Dabei wollen Kinder durchaus nicht nur Altbewährtes spielen. Bei einem Drittel der Befragten standen Brettspiele weiterhin auf dem Wunschzettel, vor allen anderen Spielwaren.
Nach Angaben von Branchenvertretern gefallen den Verbrauchern sowohl alte Klassiker wie „Mensch-ärgere-dich-nicht“ wie auch neue Produkte. Bei Ravensburger etwa brachten zuletzt vor allem Neuauflagen des Klassikers „Das verrückte Labyrinth“ Erfolg ein.
Eine Umfrage des DVSI zeigt: 16 Prozent der befragten Branchenvertreter nannten die positive Entwicklung etablierter Produkte als einen wichtigen Umsatztreiber, noch davor liegen aber mit 29 Prozent Produktinnovationen. „Gesellschaftspiele werden im Vergleich zu früher anspruchsvoller“, sagt Hermann Hutter. Auch das Material sei hochwertiger, häufig würden Holzteile verarbeitet.
Spiele werden allerdings zunehmend online bestellt
Wenn es um die Distributionswege geht, entscheiden sich viele Kunden lieber für das Internet als für das klassische Spielwarengeschäft. Zwar macht der Facheinzelhandel laut DVSI aktuell im Schnitt noch 34 Prozent des Inlandsumsatzes aus, während der Online-Sektor einen Anteil von 25 Prozent hat.
Die Hersteller gehen jedoch davon aus, dass schon in drei Jahren der Online-Verkauf 34 Prozent des Umsatzes ausmachen werde, während der Einzelhandel an Bedeutung verliere.