Berlin. Verkehrsminister Alexander Dobrindt glaubt nicht, dass Fahrverbote durch neue Umweltzonen die Luft in den Städten sauberer machen.
Über das persönliche Verhältnis zwischen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und seiner Kollegin, Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), ist wenig bis nichts bekannt. Beruflich jedenfalls liegen die beiden über Kreuz – vor allem bei der Frage, wie die Luft in Städten sauberer werden kann. Besonders in Großstädten ist die Belastung mit Stickoxiden ein ernstes Problem. Regelmäßig werden die geltenden Grenzwerte überschritten.
Um das Thema anzugehen, hatte Hendricks eine neue, blaue Plakette für Autos ins Spiel gebracht. Sie soll die gelben und grünen Plaketten für die Umweltzonen ergänzen. Bundesländer und Kommunen warten dringend auf eine solche Möglichkeit, neue Verbote für besonders schmutzige Fahrzeuge erlassen zu können. Das aber ist eine Idee, die Dobrindt kategorisch ablehnt: „Das ist ein falscher politischer Ansatz“, sagte er dieser Redaktion. Es sei „nicht wirkungsvoll, Autos mit Verboten zu belegen, die ein- oder zweimal im Monat in die Stadt fahren“.
Deutschland droht Klage wegen schlechter Luft
Anlass für Hendricks, das Thema Luftqualität anzugehen, ist der Druck, den die EU-Kommission macht. Die europaweit geltenden Grenzwerte müssten in deutschen Städten eingehalten werden, hieß es vor einem Jahr aus Brüssel. Sonst werde Deutschland verklagt. Aber auch die Bundesländer und die Städte selbst geraten unter Zugzwang: In zahlreichen Gerichtsverfahren, die die Deutsche Umwelthilfe angestrengt hat, müssen sie sich dafür rechtfertigen, warum die Luft in den Städten nicht besser wird. Es drohen Zwangsgelder und die Verpflichtung, mehr zu unternehmen.
Für wirksame Maßnahmen aber fehlen Ländern und Kommunen bislang die rechtlichen Grundlagen – und zwar deshalb, weil sich Dobrindt und Hendricks nicht einig sind.
Die Bundesregierung muss also einen Kompromiss finden und davon die Umwelt- und Verkehrsminister der Länder überzeugen. Am Montag kündigte Hendricks’ Staatssekretär Jochen Flasbarth an, man wolle bis zum Herbst eine Einigung über die blaue Dieselplakette erreichen.
Dobrindt setzt auf sauberere Taxis, Busse und Behördenfahrzeuge
Diese Plakette ist der ausdrückliche Wunsch der Landesumweltminister. Sie hatten im April die Bundesregierung gebeten, die bisherigen Plaketten so weiterzuentwickeln, dass „mittelfristig nur noch Dieselfahrzeuge mit geringen Stickoxidemissionen die Einfahrt in belastete Gebiete erlaubt werden kann.“ Auch Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) war dafür. Ihr Parteifreund Dobrindt aber hält nichts davon: „Wo wir ranmüssen, sind Fahrzeuge, die sich ständig im Stadtverkehr befinden“, sagt er und nennt Taxis, Busse und Behördenfahrzeuge. „Die müssen wir baldmöglichst auf alternative Antriebe umstellen.“ Das würde Stickoxide deutlich mehr reduzieren als Einfahrverbote.
Nun ist Umweltstaatssekretär Flasbarth dabei, Kompromisse auszuloten. Die Lösung, um die die Länder den Bund gebeten hätten, „muss nicht zwangsläufig auf eine neue Plakette für stickoxidarme Fahrzeuge hinauslaufen“, sagt Flasbarth dieser Redaktion. „Wenn die Kommunen andere wirksame Maßnahmen für eine bessere Luft treffen können, sind wir offen dafür, diese zu unterstützen.“
Länder wünschen sich wirksame Maßnahmen für sauberere Luft
Also doch keine Plakette? Die Länder hatten sich im April „wirksame und verhältnismäßige Maßnahmen“ für saubere Luft gewünscht. Im Umweltministerium glaubt man, dass nur die Plakette kurzfristig wirken und die Stickoxidwerte tatsächlich spürbar senken kann. Natürlich gebe es Alternativen zum blauen Aufkleber auf der Windschutzscheibe, heißt es. Sie würden aber in absehbarer Zeit nicht zu niedrigen Emissionen führen und seien damit nicht wirklich geeignet.
„Verhältnismäßig“ aber dürfte eine Plakette für Dieselautos wohl kaum sein. Die Folgen, die sie hätte, wären jedenfalls gravierend. Es würden nämlich nur Autos den blauen Aufkleber bekommen, die die Schadstoffnorm Euro 6 erfüllen. Für die meisten Benziner und alle Elektroautos wäre das kein Problem. Die Besitzer von Dieselautos aber kämen in arge Schwierigkeiten.
Auch ganz neue Autos wären vom Fahrverbot betroffen
Der Verband der Automobilindustrie behauptet, dass nicht weniger als 13 Millionen Dieselfahrzeuge bestimmte Teile von Städten nicht mehr befahren könnten, sollte die Plakette kommen. Das seien 90 Prozent aller Dieselfahrzeuge, heißt es. Darunter seien auch Neuwagen, die noch bis Ende 2015 mit der Euro-5-Norm verkauft wurden. Ein Fahrverbot für diese Fahrzeuge durchzusetzen, erscheint politisch unmöglich. Der für Verkehrspolitik zuständige SPD-Fraktionsvize Sören Bartol hatte die Plakettenidee seiner Parteifreundin Hendricks deshalb auch als realitätsfern bezeichnet.
Auch der SPD-Politiker Martin Burkert, der dem Verkehrsausschuss des Bundestags vorsitzt, zeigte sich gestern „höchst skeptisch“, ob eine blaue Stickoxidpalette sinnvoll ist. Mittelständische Firmen, die dieselbetriebene Lieferwagen und Kleinlaster haben, wären massiv benachteiligt. „Da ist Streit programmiert“, befürchtet Burkert.
Ministerin Hendricks will nun erst einmal das Gespräch mit den Umwelt- und Verkehrsministern der Länder suchen. Einen Termin zu dem Thema mit Dobrindt hat sie bisher nicht.