Berlin/Ankara. Die Anschlagsserie in der Türkei hat nicht nur viele Bürger verängstigt. Eine der wichtigsten Wirtschaftsbranchen wurde hart getroffen.

Hüseyin Baraner hatte schon Hoffnung geschöpft. Aufmerksam hatte der Tourismusmanager in den vergangenen Wochen verfolgt, wie immer mehr Deutsche einen Urlaub in der Türkei buchten. Es sah schlecht aus für diese Saison, aber nicht so schlecht. Jedenfalls besser als zu Beginn des Jahres. „Das waren gute Meldungen“, erinnert sich Baraner.

Nun aber, nach dem Terroranschlag auf den Istanbuler Flughafen, ist wieder alles anders. Mindestens 44 Menschen starben am Dienstagabend, als sich die drei Attentäter in die Luft sprengten. Fast 250 Menschen wurden verletzt. Neben dem menschlichen Leid hat die Attacke ganz handfeste wirtschaftliche Folgen: Die türkische Tourismusindustrie steckt tief in der Krise. Vermutlich war das sogar ein Ziel der Terroristen.

„Schlimmer geht’s nicht“

Für Hüseyin Baraner, der deutsche Reisekonzerne wie Tui berät, ist jedenfalls klar, dass die Branche diesen Sommer und womöglich auch den nächsten vergessen kann: „Das ist meine 39. Saison im Tourismus und die schlimmste, die ich erlebt habe“, sagt er. „Schlimmer geht’s nicht.“ Hoteliers und Restaurantbesitzer an der „türkischen Riviera“ – den Urlaubsorten rund um Antalya – sehen es ähnlich.

Der Tourismus ist einer der Wachstumsfaktoren der türkischen Wirtschaft. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Reisenden, die aus allen Ländern der Welt in die Türkei kamen, auf 36 Millionen mehr als verdoppelt. Der Anteil der Tourismusbranche an der Wirtschaftsleistung des Landes stieg parallel von vier auf etwas über fünf Prozent im vergangenen Jahr. Das Land hatte sich auf Platz drei unter den beliebtesten Reiseländern der Deutschen etabliert – hinter Spanien und Österreich. Rund fünf Millionen Deutsche machten noch 2014 in der Türkei Urlaub – die mit Abstand größte Gruppe vor den Russen, den Briten und den Georgiern.

Anschläge wie der am Dienstagabend haben die Situation dramatisch verändert. In der Hauptstadt Ankara gab es dieses Jahr zwei Terrorattacken. In Istanbul waren es fünf, darunter eine, die sich explizit gegen Touristen richtete. Elf deutsche Mitglieder einer Reisegruppe starben dabei. Das war Mitte Januar dieses Jahres. Die Folge: In der zweiten Januarhälfte buchte praktisch kaum ein Deutscher mehr eine Reise in die Türkei. Die Zahl der Buchungen für den gesamten Januar lag 40 Prozent unter der vom Januar 2015. Im Februar wurde die Hälfte der Reservierungen storniert. Noch im Mai kam nur ein Drittel so vieler Touristen ins Land wie im Mai 2015.

Leere Strände im Süden der Türkei

Mehmet Tekerek weiß, wie sich das anfühlt: Der Bootsvermieter sitzt in diesen Tagen an einem der bekanntesten Strände von Antalya, in Konyaalti, und wartet auf Kunden. Türkisblaues Wasser, weißer Strand, aber kaum ein Tourist. „Dieses Jahr ist die reinste Kata­strophe“, sagt auch er. 15 Jahre sei er im Geschäft – aber so eine schlechte Saison habe er noch nie erlebt. Im vergangenen Jahr habe er noch 500 Euro pro Tag verdient, in diesem seien es gerade mal 100 Euro. Die Miete für den Liegeplatz der Boote, seine Mitarbeiter, die Steuern – er wisse nicht, wie er das bezahlen solle, sagt Tekerek.

Schon Ende des vergangenen Jahres blieben die Besucher aus Russland weg. Präsident Wladimir Putin hatte Sanktionen gegen die Türkei verhängt, nachdem die türkische Luftwaffe ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen hatte – angeblich, weil es den türkischen Luftraum verletzt hatte. Russische Charterflüge mit Touristen durften fortan nicht mehr in die Türkei fliegen. Damals hofften die Tourismusunternehmer noch, die fehlenden Gäste mit Urlaubern aus Europa ausgleichen zu können. Doch dann gab es den Anschlag der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) im Januar in Istanbul. Auch die kurdische PKK droht immer wieder, Urlauber anzugreifen. Auch wenn es dazu noch nicht kam: Unsicherheit ist nicht gut für den Tourismus.

Hoteliers geben höhere Rabatte

Fast verzweifelt versuchen die türkischen Hoteliers nun, ihre Zimmer doch noch zu füllen und geben noch höhere Rabatte. Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Türkei sei „hervorragend“, wirbt Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reiseverbands (DRV), ja sogar „unschlagbar“. Es werde nun noch besser. Und: Andere Urlaubsländer im Mittelmeerraum seien praktisch ausgebucht. Denn gerade weil die Deutschen nicht mehr in die Türkei fahren, gibt es in Spanien, in Griechenland und in Portugal kaum mehr Betten. Viele Deutsche überwinden also die Terrorangst und fahren trotzdem.

Der türkische Tourismusmanager Baraner glaubt nicht, dass das noch viel helfen wird. Er versucht mit seinen Kollegen, der Regierung in Ankara klarzumachen, welche negativen Konsequenzen die schlechte Sicherheitslage, die Nichteinhaltung von Menschenrechten und der Umgang mit anderen Staaten für den Tourismus haben. Immerhin: Nachdem sich Präsident Recep Tayyip Erdogan für den Abschuss des russischen Kampfjets entschuldigte, lockerte sein russisches Gegenüber Putin die Sanktionen. Russen dürfen seit dieser Woche nun wieder in der Türkei Urlaub machen. (mit dpa)