Essen. . Karstadt-Chef Stephan Fanderl sagt im Interview, warum der „tolle“ neue Mietvertrag in Essen so wichtig für den Konzern ist

Fast genau ein Jahr lang dauerte die Suche von Karstadt nach einer neuen Zentrale. Im Umkreis von 30 Kilometern suchte der Kaufhauskonzern nach einer geeigneten Immobilie für die in den vergangenen Jahren auf gut 1000 Mitarbeiter verkleinerte Belegschaft der Zentrale. Gefunden hat Karstadt nun zu sich selbst – die alte wird auch die neue Zentrale, allerdings zu besseren Konditionen, wie Karstadt-Chef Stephan Fanderl im Gespräch mit dieser Zeitung durchblicken ließ.

Herr Fanderl, was hat den Ausschlag für den Standort Essen gegeben? Und was sprach gegen Oberhausen?

Wir haben im letzten Geschäftsjahr erstmals wieder Geld über die Ladenkasse verdient und konnten drei Karstadt-Standorte retten. Wir haben dort für alternative Mietverträge gekämpft und modernste Prozesse eingeführt. Genau das konnten wir jetzt auch für unser Service Center am Standort Essen erreichen. Wir haben Optionen in verschiedenen Städten geprüft und es unseren potenziellen Partnern nicht leicht gemacht, denn unser Team hat fair, aber auch kaufmännisch klug und hart verhandelt. Wir haben immer wieder darauf gedrängt, dass Essen eine faire Chance erhält. Denn Karstadt ist mit Teilen der Hauptverwaltung seit den 50er-Jahren in Essen und seit 1969 in dem dafür neu erbauten Gebäude in Bredeney. Aber das geht nur, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu uns passen und wir Potenzial für den Weg nach vorne haben.

Lohnt sich der neue Vertrag auch finanziell für Sie? Sparen Sie spürbar Mietkosten?

Nach einer Modernisierungsphase, in der wir für eine begrenzte Zeit innerhalb des Gebäudes umziehen, werden wir in einer ganz neuen Aufstellung arbeiten: Wir lassen durch mehr direkte Kommunikation die Schwerfälligkeit eines alten Tankers hinter uns und entwickeln uns von der Geschwindigkeit her in Richtung Schnellboot. Aber mehr noch: Wir werden aus dem Herzstück unseres Unternehmens etwas machen, das es so im deutschen Einzelhandel noch nicht gibt. Denn es ist klar: Wenn ich sage, wir wollen mit allen Unternehmensteilen Erträge erwirtschaften, dann schließt das das Service Center mit ein. Dafür konnten wir jetzt mit unserem neuen Partner der Publity AG am Standort Essen mit einem tollen Mietvertrag die Voraussetzungen schaffen.

Ihre Verwaltung soll Geld verdienen? Wie das?

Wir werden mit weiteren Mietern hier am Standort wieder auf eine viel größere Gästezahl für unsere Gastronomie kommen. Und wir werden damit Geld verdienen. Außerdem werden wir prüfen, ob sich dann auch weitere Einkaufs-Lösungen rechnen. Und schließlich denken wir darüber nach, ob wir auch Logistik hier ansiedeln können.

Wie entwickeln sich Ihre Zahlen, schaffen Sie nach dem operativen Gewinn 2015/16 in diesem Jahr erstmals wieder einen Nettogewinn?

Wir haben unsere Kosten- und Ertragsstrukturen komplett reorganisiert und im abgelaufenen Geschäftsjahr 2014/15 unser operatives Ergebnis um mehr als 62 Millionen Euro verbessern können. Damit haben wir seit Jahren erstmals wieder Geld über die Ladenkasse verdient. Diese positive Entwicklung konnten wir fortsetzen und sind per März im operativen Ergebnis erneut über 30 Millionen Euro besser als im Vorjahr. Die Maßnahmen für unseren 135. Geburtstag schlagen fantastisch ein und es gibt keinen Grund, an einem ausgeglichenen Ergebnis zu zweifeln. Aber wir bleiben weiter konservativ und schauen auf die Kosten. Ich halte Wachstum in fast allen Unternehmensbereichen für realistisch – vor allem in den Filialen, aber wie gesagt auch im Service Center und im E-Commerce mit karstadt.de, wo wir erstmals überhaupt nach sechs Monaten Geschäftsjahr schwarze Zahlen geschrieben haben.