Hagen. . Die Politikwissenschaftlerin Annette Elisabeth Töller von der FernUniversität in Hagen bewertet das vom Bundestag beschlossene weitgehende Fracking-Verbot.
Der Bundestag hat gestern mit der Mehrheit der Großen Koalition ein weitgehendes Fracking-Verbot beschlossen. Erlaubt bleiben nur wenige Probebohrungen, die der Zustimmung der Bundesländer bedürfen. Die WESTFALENPOST hat mit Professorin Dr. Annette Elisabeth Töller von der FernUniversität in Hagen gesprochen. Die Politikwissenschaftlerin beschäftigt sich seit drei Jahren intensiv mit der Debatte um die umstrittene Gasfördermethode.
War das Gesetz überfällig?
Annette Eilsabeth Töller: Ja, auf jeden Fall. Alle Parteien waren sich einig, dass dieses wichtige Thema nicht noch länger ohne Regelung bleiben konnte. Wäre das Gesetz nicht beschlossen worden, würde weiter das Bundesberggesetz gelten. Demnach müssen die zuständigen Landesbergbehörden Fracking genehmigen, wenn nicht sehr eng definierte öffentliche Interessen dagegen sprechen. Umweltaspekte werden da kaum berücksichtigt. Zwar gibt es ein Moratorium, wonach die Länder bis zu einer Neuregelung einfach keine Anträge mehr genehmigen. Aber dieses Moratorium ist rein politischer Natur. Die Firmen hätten jederzeit dagegen klagen können - mit Aussicht auf Erfolg!
Was wurde denn nun geregelt und welches waren die Streitpunkte, über die man sich schließlich noch einigen konnte?
Beschlossen wurde ein unbefristetes Verbot von Fracking in Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein sowie Kohleflözgestein (sogenanntes unkonventionelles Fracking). Festgelegt wurde, dass nur vier Probebohrungen zu wissenschaftlichen Zwecken erlaubt sein sollen. Neu gegenüber dem Entwurf von 2015 ist auch, dass Probebohrungen nur dort stattfinden dürfen, wo die Landesregierung dem zustimmt. Das Verbot soll 2021 überprüft werden. Ganz zentral ist, dass nun nicht, wie vorgesehen, die Expertenkommission, die die Probebohrungen evaluiert, über eine Aufhebung des Verbotes entscheidet, sondern der Bundestag.
Wie muss man diese Einigungen für Nordrhein-Westfalen bewerten?
NRW war eine wichtige Triebkraft für die Einigung. Wir haben in weniger als einem Jahr Landtagswahlen, und da hier große Aufsuchungsgebiete bestehen und beide großen Parteien dezidiert gegen Fracking sind, hätten beide im Wahlkampf ein Glaubwürdigkeitsproblem gehabt.
Sind alle Länder mit dem neuen Gesetz zufrieden?
Naja, es ist für alle in Ordnung, für niemanden perfekt - wie oft in der Politik. Frau Kraft hätte sich ein noch weitergehendes Verbot gewünscht, aber die regional unterschiedliche Betroffenheit durch Fracking treibt Keile in die Parteien: Während die rot-grüne Landesregierung in NRW die Speerspitze der Gegnerschaft gegen Fracking darstellt, hat man sich im ebenfalls rot-grün regierten Niedersachsen an die Erträge durch Fracking gewöhnt. Konventionell fördert man dort seit Jahrzehnten Gas, und das sogenannte konventionelle Fracking von Tight Gas findet dort seit etwa 15 Jahren statt und hilft, die gegenwärtig noch 1600 Arbeitsplätze in der Erdgasindustrie zu sichern.
Wie stehen Sie persönlich zu der Fracking-Methode?
Ich bin gegen unkonventionelles Fracking, weil wir die Risiken noch nicht abschätzen können. Und beim konventionellen Fracking sollte man auch nochmal genauer hinsehen. Noch kann man nicht sicher ausschließen, dass die Methode Gesundheitsschäden verursacht. Gerade sind die Menschen im niedersächsischen Landkreis Rotenburg besorgt über überdurchschnittlich häufig auftretende Krebserkrankungen. Ein Zusammenhang mit der dort betriebenen Gasförderung wird diskutiert.