München/Düsseldorf. Nach dem Preisschock bei Lebensmitteln können Verbraucher 2009 auf günstigere Preise hoffen. «Die Verbraucher können entspannter ins Jahr schauen und günstiger einkaufen», meint Marktforscher Paul Michels von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP).
Günstigere Preise wegen sinkender Nachfrage
Durch die Konjunkturkrise rechnen Experten besonders bei veredelten Produkten weltweit mit weniger Nachfrage und dadurch mit günstigeren Preisen zumindest im ersten Halbjahr. Molkereiprodukte wie Butter und Milch wurden gegenüber dem Vorjahr bereits deutlich billiger.
Trotz der erwarteten Zurückhaltung der Verbraucher auch bei Nahrungsmitteln sieht sich die Lebensmittelindustrie im drohenden Rezessionsjahr 2009 als Stabilisator. «Gegessen und getrunken wird immer», sagt die Sprecherin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Sabine Eichner Lisboa.
Darum schaue die Branche trotz Krise relativ gelassen in die Zukunft. Sorgen mache der Lebensmittelindustrie allerdings der Preisdruck des Handels. Die Verbraucher würden sich zwar über sinkende Preise freuen, die Hersteller müssten aber ihre Produkte trotz weiter hoher Energie- und Lohnkosten günstiger abgeben.
Fusionsdruck in der Branche
In Krisenzeiten würden Verbraucher mehr bei Discountern einkaufen und stärker auf Sonderangebote achten, sagt ZMP-Experte Michels. Darauf reagiere auch der Handel und erhöhe somit den Druck auf die gesamte Lebensmittelindustrie.
Den fünf Handelsriesen Aldi, Lidl, Edeka, Rewe und Metro stehen auf der Erzeugerseite viele Einzelunternehmen gegenüber, was deren Verhandlungsposition schwächt. Darum sehen Experten in der Lebensmittelindustrie, etwa bei Molkereien, Fusionsdruck.
Verbraucherschützer warnen vor Qualitätsverlust
Angesichts der Warenströme in einer globalisierten Welt warnen Verbraucherschützer vor dem Aufweichen europäischer Standards bei Lebensmitteln. Die Verbraucher seien beim Thema Qualität hochsensibel, weshalb hochwertige Rohstoffe und Kontrollen wichtige Themen in der Branche seien, sagt Verbandssprecherin Eichner Lisboa.
Das hohe Prestige der deutschen Lebensmittelindustrie zeige sich darin, dass sie 25 Prozent ihrer Güter exportiere. Hier erwarte der Verband auch trotz weltweiter Konjunkturkrise im kommenden Jahr Steigerungsraten. Während der Inlandsmarkt 2008 real stagnierte, sieht die Lebensmittelindustrie das Exportgeschäft als Wachstumstreiber.
Stärkere Preisschwankungen
Wegen der Abhängigkeit der Branche vom Weltmarkt müssten sich Verbraucher generell auf stärker schwankende Lebensmittelpreise einstellen, meint ZMP-Experte Michels. Vieles hänge von der weltweiten Ernte und Nachfrage ab.
Zuwächse konnte im vergangenen Jahr vor allem der faire Handel verbuchen, zertizierte Produkte haben 2008 erneut zugelegt. Der Umsatz bei Waren mit dem Fairtrade-Siegel ist in den ersten drei Quartalen des Jahres um 13 Prozent gewachsen, wie der Geschäftsführer der Siegel-Organisation TransFair, Dieter Overath, der Nachrichtenagentur AP sagte. Auch aktuell gebe es keine gegenteiligen Entwicklungen.
Nur Fair-Bananen fallen aus vielen Sortimenten
Getrübt werde das Gesamtbild nur von einem Absatzrückgang bei den fair gehandelten Bananen, die bei mehreren Supermarktketten gleich komplett ausgelistet wurden. Ohne den Rückgang bei den Tropenfrüchten hätte die Entwicklung noch deutlicher ausfallen können.
Als Wachstumsträger beim Absatz nannte Overath dagegen unter anderem die immer beliebter werdenden Rosen aus Kenia und Tansania, Säfte und Honig. Selbst der längst gut etablierte fair gehandelte Kaffee konnte noch einmal um 14 Prozent zulegen.
Auch die Fair-Handels-Organisation Gepa bestätigte den Wachstumstrend. Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres - von April bis September - stieg der Umsatz um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im Non-Food-Bereich, etwa bei Keramik und Heimtextilien, habe es sogar zweistellige Zuwächse gegeben, teilte eine Sprecherin mit.
Keine schweren Einbrüche durch Finanzkrise erwartet
Auch für die Zukunft erwartet Transfair-Chef Overath trotz der Finanzkrise keine schweren Einbrüche im Fairen Handel. Zwar sparten viele Verbraucher angesichts der schwierigen Lage beim Einkaufen sicher mehr - doch steige auf der anderen Seite auch das Bewusstsein für die soziale Verantwortung signifikant. Überdies sei es hilfreich, dass viele Discounter inzwischen fair gehandelte Produkte anbieten, sagte Overath: «Auch dort sind wir sehr gut aufgestellt.»
Zudem, so betont Overath, erreiche man die Menschen längst nicht nur über das gute Gewissen, sondern auch über den stetig besser werdenden Ruf der Waren: «Die Leute wollen nicht die Welt retten, wenn sie einkaufen - die wollen erstmal ein vernünftiges Produkt.» (AP)