Hamburg. Nicht nur in Deutschland wird den Tragetaschen aus ökologischen Gründen der Kampf angesagt. Andere Länder greifen viel resoluter durch.
Lange Zeit gehörte die kostenlose Plastiktüte in Deutschland so selbstverständlich zum Einkaufen wie der Kassenbon. Doch die Umweltbelastungen durch die Tragetaschen aus Polyethylen oder Polypropylen haben inzwischen ein Umdenken ausgelöst. Immer mehr Geschäfte lassen sich aus Umweltschutzgründen die Tragetaschen bezahlen. Auch in Hamburg. Ob bei der Drogerie Budnikowsky oder beim Elektronikhändler Mediamarkt. Und die Deutschen finden das gut. Nach einer aktuellen Umfrage befürworten rund 80 Prozent von ihnen eine Gebühr für Plastiktüten. Doch wie halten es andere Länder damit?
Italien:
„Möchten Sie eine Tüte?“ – so lautet die obligatorische Frage an jeder italienischen Supermarktkasse. Immer öfter ist die Antwort jedoch nein, stattdessen gehen inzwischen viele Italiener mit Stoffbeuteln und kleinen Trolleys einkaufen. Wer dennoch eine Tüte verlangt, bekommt für etwa 15 Cent pro Stück Tüten aus Papier oder biologisch abbaubaren Materialien. Reine Plastiktüten sind in Italien seit 2011 verboten. Missachtet wird das Plastiktüten-Verbot allerdings nach wie vor in vielen kleineren Geschäften und auf Märkten. Um dagegen vorzugehen, wurde 2014 ein neues Gesetz verabschiedet: Es sieht für Händler bei Verstößen gegen das Plastiktüten-Verbot Geldstrafen von bis zu 25.000 Euro vor.
Frankreich:
Vom 1. Juli an sind Einweg-Plastiktüten an den Ladenkassen in Frankreich gesetzlich verboten. Viele Supermärkte haben die Tüten an der Kasse bereits abgeschafft. Die Obst- und Gemüseabteilung ist jedoch weiterhin ein „Plastikparadies“. Von 2017 an sollen die Tüten aber auch dort verschwinden. Fünf Milliarden Einweg-Plastiktüten wurden laut Umweltministerium im Jahr 2014 an den Kassen ausgehändigt, zwölf Milliarden waren es in Obst- und Gemüseabteilungen.
Großbritannien:
In Großbritannien musste man sich lange Zeit geradezu wehren, wenn man die Waren tütenlos in mitgebrachte Taschen packen wollte. Doch im Oktober 2015 hat auch England als letzter – und mit Abstand größter – Teil Großbritanniens eine Gebühr auf die Tüten eingeführt. Die fünf Pence (sechs bis sieben Cent) werden nur in großen Geschäften fällig, Kioske sind zum Beispiel ausgenommen. Die Regierung hofft, dass der Tütenverbrauch in Supermärkten um 80 Prozent zurückgeht. Zahlen gibt es dazu noch nicht. Kassierer in Londoner Geschäften berichten auf Nachfrage aber übereinstimmend, dass die Gebühr Wirkung zeige: Kunden hätten nun viel öfter Taschen dabei oder stapelten ihre Einkäufe in der Armbeuge.
Norwegen:
Die Norweger benutzen Plastiktüten bei jedem Einkauf, obwohl sie dafür in fast jedem Geschäft um die zehn Cent bezahlen müssen. Eine Kassiererin im Supermarkt schätzt, dass mindestens 95 Prozent der Kunden ja zur „pose“ sagen. Wenn man als Deutscher im Supermarkt mit seiner Klappbox ankommt, erntet man eher verwunderte Blicke. Plastiktüten angeboten bekommt man trotzdem. Jedes Jahr werden in Norwegen eine Milliarde Tragetaschen gebraucht, das macht drei Kilo Plastik pro Person. Als Umweltproblem wird das aber nicht betrachtet, denn kaum eine Tüte landet in der Natur. Mehr als 80 Prozent werden nämlich als Abfalltüten wiederverwendet.
USA:
Plastiktüten gehören selbst als Verpackung für die Verpackung zum Alltag vieler US-Amerikaner. Es gibt praktisch nichts, was nicht in Tüten verpackt oder geliefert würde. In den meisten Teilen des Landes sind sie sogar kostenlos. Kein Wunder also, dass in den Vereinigten Staaten jährlich etwa 100 Milliarden Stück verbraucht werden. Allerdings findet seit zehn Jahren vielerorts ein Umdenken statt – vor allem auf lokaler Ebene. Rund 180 Städte und Bezirke in 20 Bundesstaaten haben Plastiktüten bereits verboten oder mit einer Abgabe belegt. Vorreiter war San Francisco, mittlerweile machen aber auch andere Großstädte wie Los Angeles oder Chicago mit. In Washington DC senkte eine Fünf-Cent-Gebühr den Plastiktüten-Verbrauch um 60 Prozent. New York denkt über eine ähnliche Regelung nach.
Indien:
Plastiktüten sind für die meisten Inder kein Schandfleck. Statt sie nach dem Einkauf in der Schublade zu verstecken, lassen sie die kunterbunten Tüten im Haus herumliegen, oder hängen sie aus Platzgründen mit Inhalt gleich an die Wand – quasi als Billig-Hängeschrank. In den dünneren Tüten landet der Müll, der täglich von nicht-staatlichen Müllsammlern an der Tür abgeholt wird. Sowohl die Zentralregierung als auch einzelne Bundesstaaten haben in den vergangenen Jahren die Herstellung und Abgabe von Plastiktüten bestimmter Größen oder an bestimmten Orten verboten. So darf etwa ab zwei Kilometer vom heiligen Fluss Ganges entfernt eigentlich keine Plastiktüte mehr gesehen werden. Der Effekt ist – wie bei vielen Gesetzen auf dem Subkontinent – höchstens mäßig.
China:
In China wurden Plastiktüten schon im Juni 2008 kostenpflichtig. In der Regel verlangen die Geschäfte umgerechnet zwei bis fünf Cent je nach der Größe der Tüte. Wenn Geschäfte erwischt werden, wie sie Plastiktüten kostenlos an Kunden vergeben, drohen ihnen empfindliche Strafen bis 10.000 Yuan, umgerechnet 1370 Euro. In der Praxis werden dadurch heute in Supermärkten deutlich weniger Plastiktüten benutzt. Gerade Kunden im mittleren oder höheren Alter achten wegen beschränkter Geldmittel sehr auf ihre Ausgaben. Dennoch leidet China weiter unter der Umweltverschmutzung durch Plastiktüten.