Essen/Brüssel. . Arbeitnehmer und Arbeitgeber protestierten am Montag in Brüssel gemeinsam gegen Stahl-Billigimporte aus China und die verschärften Klimapläne der EU-Kommission.

Die deutsche Stahlindustrie ist geübt im Bewältigen von Krisen. Jetzt gab es dennoch eine Premiere: In Brüssel protestierten Betriebsräte und Ar­beitgebervertreter am Montag Seit’ an Seit’ ge­gen ungezügelte Billigimporte aus China und die geplante Verschärfung der EU-Klimapolitik.

Bis zu 5000 Demonstranten aus ganz Europa sind zum Brüsseler Jubelpark gekommen. Sie tragen neonfarbene Schutzwesten. „Yes for trade“ und „Stoppt das China-Dumping“ ist darauf zu lesen. Das ohrenbetäubende Trillerpfeifen-Konzert soll die EU-Kommission wach rütteln und die europäische Stahlindustrie vor Billigimporten aus China schützen. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl in Düsseldorf hat hochgerechnet, dass im vergangenen Jahr zwölf Millionen Tonnen staatlich subventionierter chinesischer Stahl zu Dumpingpreisen nach Europa gekommen sind. In Deutschland wurden rund 41,5 Millionen Tonnen Stahl produziert.

Auch Chemie, Maschinenbau und Autoindustrie betroffen

Von der EU-Kommission, die China den Marktwirtschaftsstatus MES gewähren will, fordern die Unternehmen Schutz vor subventionierten Preisen unterhalb der Herstellerkosten, unter denen längst nicht nur die Stahlbranche leidet. Laut dem europäischen Industriebündnis Aegis stehen in Europa Tausende Arbeitsplätze auch in Sparten wie Aluminium, Chemie, Maschinenbau oder Autoindustrie auf dem Spiel.

Der Groll von Wirtschaft und Gewerkschaften trifft die EU-Kommission aber nicht nur wegen ihrer vermeintlich zu laschen Anti-Dumping-Politik. Insbesondere die Stahlindustrie sieht ihre Wettbewerbsfähigkeit zudem durch die Brüsseler Klimaschutzpläne gefährdet. Die EU-Kommission will den Emissionshandel verschärfen. Sollte der Vorschlag aus dem Sommer 2015 Realität werden, „drohen der Stahlindustrie in Deutschland zwischen 2021 und 2030 Belastungen in Höhe von zehn Milliarden Euro“, befürchtet Stahlpräsident Hans Jürgen Kerkhoff. Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger sieht den Stahlstandort Duisburg gefährdet, sollte Brüssel unverändert an den Plänen festhalten. Darauf hat er mehrfach hingewiesen.

Schulterschluss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern

„Der Schulterschluss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zeigt ganz deutlich, wie groß die Notwendigkeit für die EU-Kommission ist, rasch zu handeln“, sagte Stahlpräsident Kerkhoff dieser Zeitung. Die Tarifpartner marschierten am Montag nicht nur gemeinsam durch Brüssel. Ende Januar hatten sich Wirtschaftsvereinigung Stahl und Gewerkschaft IG Metall bereits auf ein gemeinsames Eckpunktepapier verständigt.

Unterstützung für ihren Feldzug gegen die EU bekommen sie auch aus der Politik. Die Wirtschaftsminister der Bundesländer mit Stahlproduktion – NRW, Brandenburg, Niedersachsen und Saarland – schrieben am Wochenende einen Brief an EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska und wiesen auf die Sorgen der Branche und gefährdete Arbeitsplätze hin.

NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) appelliert an die Brüsseler Bürokratie: „Durch die Reform des Emissionshandels darf der Wettbewerb keinesfalls zu Lasten der europäischen Industrie verzerrt werden.“ Duin forderte die EU-Kommission auf, ihren Entwurf grundlegend zu überarbeiten, um den größten europäischen Stahlstandort Duisburg nicht zu gefährden.