Berlin. Abgaben, Kerosin, Personal: Die deutschen Fluggesellschaften müssen im Wettbewerb hart kalkulieren. Der Gewinn ist überraschend gering.
Wer zum Beispiel im April von Berlin nach Brüssel fliegen will, kann derzeit unter zahlreichen Angeboten wählen. Die irische Fluggesellschaft Ryanair fliegt ab 9,99 Euro. Beim deutschen Konkurrenten Lufthansa kostet die Strecke ab 158 Euro, wer die Lufthansa-Tochter Brussels wählt, würde ab 49 Euro zahlen. Warum unterscheiden sich die Preise so stark? Und vor allem: Wie viel verdienen die Fluggesellschaften daran?
Preis von 9,99 Euro ist nach Angaben des Bundesverbands der Luftverkehrswirtschaft (BDL) ein reiner „Kampfpreis“, um auf bestimmten Strecken Kunden zu gewinnen. Dafür nimmt Ryanair auch Verluste pro Ticket in Kauf. Die ertragsstarken Iren drängen seit dem vergangenen Jahr in den deutschen Markt. Allerdings kalkuliert auch Ryanair hart – das Neun-Euro-Kontingent ist begrenzt, kurzfristige Buchungen sind deutlich teurer.
Die Deutschen schätzen den Gewinn pro Ticket deutlich zu hoch
Alle Fluggesellschaften arbeiten mit solchen Mischkalkulationen bei den Preisen. Zudem sind die Kosten der einzelnen Gesellschaften unterschiedlich. So sind zum Beispiel die Pilotengehälter bei Lufthansa deutlich höher als etwa bei Air Berlin oder Ryanair – ein Grund, warum Lufthansa gerade die Tochter Eurowings ausbaut und die Kernmarke als Premiumangebot mit entsprechend höheren Preisen ausrichtet. Denn natürlich wollen alle Fluggesellschaften Geld verdienen.
Die Vorstellungen der Flugpassagiere über den Gewinn weichen allerdings stark von dem ab, was tatsächlich bei den Fluggesellschaften hängen bleibt: Einer repräsentativen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zufolge glauben 35 Prozent der Deutschen, dass bei einem Ticketpreis von 100 Euro zehn Euro Gewinn bei der Fluggesellschaft landet. 30 Prozent rechnen gar mit einem Gewinn von 20 Euro. Die Abteilung Wirtschaft des BDL kommt dagegen auf einen Gewinn von 0,94 Euro.
Verband bemängelt Luftverkehrsabgabe
Während die Befragten eher nach Gefühl antworteten, stützten sich die BDL-Statistiker auf die Geschäftsberichte der deutschen Fluggesellschaften 2014. Dazu zählen die beiden großen Anbieter Lufthansa und Air Berlin sowie die Chartergesellschaften Condor und Tuifly. Und die wirtschaften derzeit sehr unterschiedlich. Die Lufthansa-Tochter Lufthansa Passage, in der das Fluggeschäft gebündelt ist, wies in den ersten neun Monaten 2015 bei einem Umsatz von 13,754 Milliarden Euro rund 0,834 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern und Zinsen aus, das entspricht einer Gewinnmarge von sechs Prozent. Air Berlin hingegen flog tief in der Verlustzone. Aus den jeweiligen Zahlen ermittelten die Statistiker einen Durchschnittswert.
Für BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch ist angesichts des niedrigen Gewinns wichtig, „dass die Politik wie die Fluggäste verstehen, dass die deutschen Airlines extrem sparsam haushalten müssen“. Vor allem in der Politik sieht er Handlungsbedarf: „Belastungen wie zum Beispiel die Luftverkehrsteuer sind von den deutschen Airlines nur noch mit Mühe zu verkraften.“ Die Steuer wird seit 2011 pro Passagier und Start von einem deutschen Flughafen erhoben. Sie brachte dem Fiskus 2014 fast eine Milliarde Euro ein.
Der fallende Ölpreis trifft viele Gesellschaften unvorbereitet
Beeinflussen können die Fluggesellschaften nur etwa 40 Prozent der Flugkosten: Personalkosten, Catering, Ausgaben für die Maschinen wie Wartungskosten. Der Rest ist von außen festgelegt: 30 Prozent der Flugkosten machen im Schnitt sogenannte regulatorischen Kosten wie etwa Flughafenentgelte, Ausgaben für Be- und Entladen sowie die Luftverkehrssteuer aus. Weitere 30 Prozent entfallen auf die Ausgaben für Treibstoff.
Zumindest dieser Kostenblock könnte schrumpfen, fällt doch der Preis für Öl, der Grundstoff von Kerosin, kräftig. Mitte Mai kostete ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent noch fast 115 Dollar, inzwischen sind es nur noch knapp 35 Dollar – ein Elf-Jahres-Tief. Allerdings dauert es, bis dieser Preisrückgang auch bei den Fluggesellschaften ankommt. Denn viele haben Sicherungsgeschäfte abgeschlossen, sogenanntes Hedging, um einen stabilen und damit planbaren Kerosinpreis zu bekommen. Das ist in Zeiten steigender Ölpreise gut, weil die Fluggesellschaften zumindest für einen bestimmten Zeitraum zu einem günstigen Preis Kerosin bekommen. Fallen die Preise schnell, müssen die Unternehmen aber weiter den teureren Preis zahlen. Deshalb versuchen die Fluggesellschaften, neue, besonders spritsparende Maschinen einzusetzen, etwa den Airbus A320neo.
Die Bahn schneidet im Preisvergleich schlecht ab
Und was verbrauchen moderne Flugzeuge wie der Airbus A320 oder die Boeing 777 im Schnitt? Die Umfrage zeigt auch hier große Unterschiede zwischen Wahrnehmung und unternehmerischer Wirklichkeit. 35 Prozent der Befragten gehen von im Schnitt 40 Litern Kerosin pro 100 Kilometer je Passagier aus, 37 Prozent von 20 Litern. Die Statistiker haben 3,64 Liter errechnet. „Überraschend ist, wie wenig die ökologische Erfolgsgeschichte der Luftfahrt bekannt ist“, sagt dazu BDL-Präsident Siegloch.
Übrigens finden nur 16 Prozent der Befragten die Preise für Flugtickets zu hoch, 15 Prozent halten sie für zu niedrig. Die Mehrheit (57 Prozent) findet sie angemessen. Ganz anders die Preise der Bahn: 59 Prozent halten sie für zu hoch, Anhebungsbedarf sieht niemand.