Berlin. Im Schnitt hat ein Haushalt eine Wohnung nach 26 Jahren abbezahlt. Vor allem in den Großstädten dauert es meist aber sehr viel länger.

Den weit verbreiteten Wunsch nach eigenen vier Wänden können sich die meisten deutschen Haushalte erfüllen – zumindest rechnerisch. Im Schnitt zahlt eine Familie mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Einkommen den Kauf einer 110 Quadratmeter großen Wohnung 25,8 Jahre lang ab, wie aus einer Studie der Postbank hervorgeht. Allerdings gelten diese Durchschnittswerte in den wenigsten Regionen Deutschlands. Vor allem in Städten dauert es sehr viel länger.

An der Spitze steht Berlin mit rechnerisch 341 Jahren vor Hamburg mit rund 144 Jahren und dem Landkreis Vorpommern-Rügen mit 107,1 Jahr – dazu zählen sehr beliebte Gebiete wie die Insel Hiddensee und die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. Großstädte wie Düsseldorf (56,4 Jahre), Köln (48), Leipzig (63,7) und Erfurt (32,8) liegen deutlich über dem Schnitt, Dortmund als größte Stadt im Ruhrgebiet mit 25,1 Jahren unter dem Schnitt. München schafft es nicht in die Liste, weil der Berechnung zufolge ein Durchschnittsverdiener keine Chance hat, die Wohnung zu bezahlen – zumindest unter den getroffenen Annahmen.

Günstige Regionen sind wirtschaftlich schwach

Die Postbank hat die Immobilienpreise in den 402 Landkreisen und kreisfreien Städten Deutschlands untersucht und die durchschnittlichen Preise für eine Wohnung mit 110 Quadratmetern ermittelt. Die Studie geht davon aus, dass eine Familie mit zwei Kindern und dem Durchschnittseinkommen des jeweiligen Kreises Wohneigentum in der Größe kauft.

Der Abstand zwischen den teuren und günstigen Gebieten ist sehr groß. So kann eine Familie im Altmarkkreis Salzwedel in Sachsen-Anhalt schon nach 6,1 Jahren schuldenfrei wohnen. Auch in der brandenburgischen Prignitz mit 6,9 Jahren oder dem Kyffhäuserkreis in Thüringen mit 7,1 Jahren ist das Hypothekendarlehen schnell getilgt. Doch das sind auch Regionen, die wirtschaftlich nicht besonders stark sind und wenig gefragt.

Einwohner in München müssen am meisten bezahlen

In München müsste eine Familie für eine 110-Quadratmeterwohnung im Schnitt 647.863 Euro aufbringen. Der Preis pro Quadratmeter beträgt 5890 Euro. Für diese Summe bekommt man anderswo schon fast ein kleines Häuschen, zum Beispiel in den abgelegenen Gebieten Mecklenburgs, die nicht küstennah sind. In Berlin kostet die betrachtete Wohnung 364.384 Euro, in Hamburg 432.623 Euro.

Immerhin beträgt die Tilgungszeit in 305 Landkreisen weniger als 30 Jahre. „Damit gehen die meisten Immobilienbesitzer ohne Schulden in Rente oder Pension“, sagt Jörg Koschate, Generalbevollmächtigter der Bausparkasse BHW, die zur Postbank gehört. Mitunter reicht es schon, wenn die angehenden Eigentümer ins Umland der Ballungszentren ausweichen. So müsste die Modellfamilie in Berlin monatlich 1518 Euro für den Kredit aufbringen. Im östlich angrenzenden Landkreis Märkisch-Oderland kostet die Wohnung etwas mehr als ein Drittel, die monatlich Belastung sinkt auf 554 Euro. In Potsdam beträgt der Kaufpreis 346.120 Euro, die Immobilie wäre nach 71,3 Jahren abbezahlt.

Grundannahmen sind eher optimistisch

Im Ruhrgebiet zum Beispiel ist es umgekehrt, in den Städten ist Wohnraum preiswerter als im Umland. Selbst das vergleichsweise teure Essen mit einem Durchschnittspreis von 213.305 Euro pro Wohnung ist günstiger als der Rheinisch-Bergische Kreis nebenan, wo Käufer 10.000 Euro mehr aufbringen müssen. Grundsätzlich aber gilt: „Wer in den Umkreis von größeren Städten ausweicht, hat gute Karten“, versichert die Postbank.

Eine gewisse Skepsis gegenüber den Ergebnissen ist jedoch geboten, weil die Rahmenbedingungen für die Immobilienfinanzierung sehr optimistisch sind. So liegt den Tilgungszeiten die Annahme zugrunde, dass eine Familie 20 Prozent Eigenkapital mitbringt – und damit auch die Nebenkosten abdeckt –, bis zu 40 Prozent ihres Nettoeinkommens bei einem dauerhaft festen Zinssatz von 2,5 Prozent einsetzen kann. Wird weniger getilgt oder steigen die Zinsen, dauert das Abbezahlen deutlich länger.

Der langfristige Trend geht Richtung Ballungszentren

Deshalb sieht auch der Verbraucherschützer Hermann-Josef Tenhagen die Berechnungen der Postbank kritisch. „40 Prozent des Einkommens kann kaum jemand aufbringen“, sagt der Chefredakteur des Internetportals Finanztip. Und es komme beim Immobilienkauf vor allem auf die Lage an. In weniger nachgefragten Regionen könne die Wohnung später womöglich nicht oder nur mit Verlust wieder verkauft werden, warnt der Experte.

Diese Gefahr besteht allein schon durch die demographische Entwicklung. Denn Deutschland schrumpft, auch wenn derzeit viele Zuwanderer ins Land kommen. Der langfristige Trend geht in Richtung der Ballungszentren. Dort bleibt die Nachfrage wohl hoch, damit bleiben auch die Kaufpreise für Immobilien stabil oder steigen sogar, wie in den vergangenen Jahren in Berlin. Die Stadt wuchs allein 2014 um 40.000 Einwohner. In den abgelegeneren Gebieten schrumpft die Bevölkerung eher. Und die Nachfrage nach Immobilien sinkt, weil nur wenige aufs Land ziehen wollen.

Immobilienpreise in Großstädten um ein Drittel gestiegen

In vielen deutschen Großstädten sind die Preise für Eigentumswohnungen in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt um fast ein Drittel teurer geworden. Die Quadratmeter-Preise seien in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern durchschnittlich um 32 Prozent gestiegen, berichtet die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf Daten des Portals ImmobilienScout24. Den höchsten Zuwachs verzeichneten die Autostädte Wolfsburg mit 69,4 Prozent und Ingolstadt mit 67,8 Prozent. In Berlin (55,2 Prozent) und Hamburg (44,5 Prozent) stiegen die Preise ebenfalls überdurchschnittlich.