Essen.. Der neue Karstadt-Chef Fanderl hat die Warenhauskette wieder zu den Kunden gebracht. Und er kündigt an: “Karstadt wird noch preis-aggressiver sein!“
Karstadt-Chef Stephan Fanderl (52) sagt im Interview, wie er dem Kaufhaus eine Zukunft geben will und was das für die Mitarbeiter bedeutet. Keine zehn Filialen mehr im Minus.
Herr Fanderl, Sie haben vor einem Jahr mit Karstadt eine Warenhauskette übernommen, die seit 2002 keine Gewinne mehr erzielt. Nun haben Sie in Ihrem ersten Geschäftsjahr noch nicht netto, aber operativ ein Plus erwirtschaftet. Wie weit sind Sie bei der Sanierung, die Sie auf drei Jahre angesetzt hatten?
Stephan Fanderl: Dass wir an der Ladenkasse wieder Geld verdienen, ist eine bravouröse Leistung aller Mitarbeiter. Das ist ein Riesen-Schritt, den wir im ersten Jahr gar nicht geplant hatten. Wir haben das Team im deutschen Einzelhandel, das am schnellsten besser wird. Doch das zweite und dritte Jahr einer Sanierung sind oft die schwierigsten. Es ist also immer noch ein zartes Pflänzchen, das wir da hegen aber wir sind auf dem richtigen Weg.
Ihre besseren Ergebnisse gehen zum großen Teil auf Einsparungen beim Personal und an Verkaufsfläche zurück, der Umsatz ist dagegen weiter gesunken.
Stephan Fanderl: Bedenken Sie, wo wir herkommen. Wir haben in vielen Warengruppen, etwa der Damenoberbekleidung, seit Jahren kein Geld verdient, weil unser Angebot an der Kundschaft vorbei ging. Das zu korrigieren, kostet Zeit. Wir sind in fast allen Warengruppen beim Roh-Ertrag besser geworden, in vielen steigt auch der Umsatz. Aber wir kriegen nicht alle Züge gleichzeitig aus dem Bahnhof. Wir haben jetzt wieder Geld verdient und werden das im aktuellen Geschäftsjahr fortsetzen. Viele Kunden haben das Warenhaus als preisattraktiven Anbieter aus den Augen verloren. Das versuchen wir mit vielen gezielten Angeboten zu ändern. Karstadt wird noch preis-aggressiver sein!
Wann muss denn auch der Umsatz wieder steigen?
Stephan Fanderl: Wir haben als vorsichtige Kaufleute so geplant, dass wir in der ganzen Sanierung ohne Umsatzplus auskommen würden. Unser Anspruch ist aber natürlich ein anderer – den Vorjahresumsatz zu halten und langsam besser zu werden. Entscheidend ist zunächst, dass unsere Filialen in nur einem Jahr mehr als 70 Prozent beim Ergebnis zugelegt haben — das ist ein Riesensprung!
Sie schließen fünf klassische Warenhäuser, vor einem Jahr war aber die Rede von 28 defizitären Häusern. Haben alle Filialen schon die Kurve gekriegt?
Stephan Fanderl: Wir sind zwar schnell, aber so schnell nicht. Inklusive der Standorte, die wir schließen haben wir nur noch unter zehn Filialen, die Geld verlieren. Alle anderen liefern wieder ein positives Ergebnis. Wichtig ist: Auch die noch defizitären Häuser haben ihre Ergebnisse verbessert, aber das eine Jahr hat noch nicht gereicht, sie komplett zu drehen. Und vergessen Sie nicht, dass wir mit Mönchengladbach und Dessau zwei Filialen retten konnten, für die es Schließungsbeschlüsse gab.
Und wenn das zweite Jahr auch nicht reicht – drohen dann doch weitere Schließungen?
Stephan Fanderl: Wir haben weder einen weiteren Stellenabbau, noch weitere Schließungen geplant. Man kann als Händler nie für alle Zukunft ausschließen, dass einzelne Filialen nicht mehr fortgeführt werden können – allein schon, weil alle Immobilien mittlerweile von fremden Vermietern angemietet sind. Wenn Verträge auslaufen, brauchen wir auch den Vermieter, um am Standort bleiben zu können. Im Moment sehen wir aber die Chance, auch die schwierigen Standorte zu erhalten. Dafür spricht auch, dass die Filialen bereits 80 Prozent des Veränderungsprozesses geschafft haben. Aber unser Anspruch ist ja nicht nur, keine weiter Filiale zu schließen, sondern insgesamt, mit allen Filialen besser zu werden.
Was für die Beschäftigten laut Betriebsrat eine enorme Belastung bedeutet, sie müssen mit weniger Leuten ein wieder breiteres Sortiment bespielen.
Stephan Fanderl: Wir verlangen den Mitarbeitern in der Sanierungsphase viel ab. In wohl keinem Jahr der 134 Jahre Karstadt-Geschichte ist so viel verändert worden, wie in diesem – von der Warenannahme bis zum Kassieren. Aber wir sehen in unseren Pilotfilialen, also dort wo wir am weitesten mit unserem Veränderungsprogramm fortgeschritten sind, dass die neuen Teams funktionieren. Und es geht auch einfach nicht ohne weitere Verbesserungen, denn beim Umsatz pro Beschäftigtem sind wir von der Spitze im Handel noch weit entfernt und bewegen uns gerade vom unteren ins etwas solidere Mittelfeld.
Sie zahlen den Mitarbeitern wieder Weihnachtsgeld. Wie rentabel muss Karstadt werden, um auch in den Tarif zurückzukehren?
Stephan Fanderl: Wir haben für die gesamte Sanierungszeit keine Tarifanpassungen geplant, auch kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Was wir dieses Jahr gezahlt haben, war zu Beginn 2015 nicht in der Kasse. Die gute Botschaft an die Mitarbeiter ist, dass wir es wieder bezahlen können. Die von beiden Seiten hart, aber konstruktiv geführten Tarifverhandlungen gehen Anfang Dezember weiter. Aber am Ende des Tages unterschreibe ich nichts, was nicht langfristig zur Gesundung von Karstadt passt.
Ihre Vorgänger haben vergeblich versucht, das Image von Karstadt zu entstauben. Sie kommen nun daher und erklären die Frau ab 45 zur Kernzielgruppe. Sehen Sie die Zukunft des Warenhauses wirklich in der Rückkehr zu den Wurzeln?
Stephan Fanderl: Warenhäuser sind traditionell stark in der Kundengruppe, die überwiegend weiblich und älter als 45 Jahre ist. Die demographische Entwicklung ist klar: Diese Zielgruppe wächst. Auch wenn die Kundschaft älter wird – gefühlt bleibt sie jung und kleidet sich entsprechend. Für uns ist deshalb die Herausforderung, für diese Gruppe modern zu sein. Daran arbeiten wir.
Der Umbau in den Filialen wird langsam sichtbar, wann sind Sie damit durch?
Stephan Fanderl: Für das Sortiment sind zwei Dinge sehr wichtig: Wir haben erstens den Anspruch, wieder alles unter einem Dach anzubieten. Und wir werden zweitens stark auf die Bedürfnisse vor Ort eingehen. Der lokale Wettbewerb definiert mit, wie lang unsere Wegstrecke am einzelnen Standort noch ist. Wo zum Beispiel gegenüber ein Media Markt ist, brauchen wir kein Elektrosortiment. Aber dort, wo keiner ist, versuchen wir Umsätze, die wir in diesem Bereich mal hatten, zurückzuholen. In Universitätsstädten brauchen wir beispielsweise mehr Young Fashion. Im laufenden Geschäftsjahr werden wir auch wieder umfangreicher in die Filialen investieren – zunächst geht ein zweistelliger Millionenbetrag in unsere Pilothäuser.
Wie weit kann man noch Partnerschaften denken wie die mit Hugendubel bei Büchern oder dm bei Drogerieartikeln, um Sortimentsgruppen zurückzuholen? Sollen die Partner Marktführer sein?
Stephan Fanderl: Unser Wunschkandidat ist immer die lokal stärkste Marke. Diese Partnerschaften werden wir weiter ausbauen, nicht nur im Vertrieb, auch bei der Beschaffung. Und wir merken derzeit, dass viele Unternehmen wieder mit uns reden, die das lange nicht getan haben.
Karstadt-Mutter Signa hat Eataly als Partner gewonnen, könnte das zu Lasten ihrer Perfetto-Lebensmittelabteilungen gehen?
Stephan Fanderl: Etaly ist eines der spannendsten Foodkonzepte weltweit und Signa Retail ist für die Expansion in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz verantwortlich. Aber im Warenhaus mit seinem breiten Publikum kann ich es mir nur punktuell ergänzend vorstellen. Bei Lebensmitteln brauchen wir in den Warenhäusern ein preislich wettbewerbsfähiges Grundsortiment, das standortspezifisch auch höherwertig ist.
Wie weit sind Sie bei der Standortsuche für die neue Zentrale?
Stephan Fanderl: Die Suche ist noch nicht abgeschlossen, aber wir haben eine Shortlist mit deutlich weniger als zehn Standorten. Wir werden Anfang nächsten Jahres zu einer guten Entscheidung kommen.
Signa ist mit dem Versuch, Kaufhof zu übernehmen und die Deutsche Warenhaus AG zu schmieden, gescheitert. Bleibt eine Fusion nicht trotzdem als Perspektive und nur die Frage übrig, wer wen übernimmt?
Stephan Fanderl: Die industrielle Logik spricht nach wie vor für einen Zusammenschluss. Das hat sich mit der Kaufhof-Übernahme durch Hudson’s Bay nicht verändert. Klar ist aber auch, dass wir Kaufhof nicht brauchen, damit Karstadt wieder vollständig gesundet im Wettbewerb steht. Wir sind mit unserem neuen Eigentümer Signa gut für die Zukunft aufgestellt: Er hat zur Stärkung der Warenhäuser alleine dieses Jahr 60 Millionen Euro eingebracht. Das macht kein Eigentümer, kurz bevor er verkauft.
Signa-Eigentümer Benko hat Karstadt für einen symbolischen Euro erhalten. Wenn Sie Karstadt wieder rentabel machen, kann Benko es gewinnbringend verkaufen.
Stephan Fanderl: Signa hat gelernt, auch Händler zu sein und großes Interesse an weiteren Engagements im Handel. Signa Retail hat den klaren Auftrag, ein Einzelhandelsportfolio mit einem zweistelligen Milliarden-Umsatz aufzubauen. Das erreicht man nicht mit einer frühzeitigen Trennung von Warenhäusern, in denen die Kompetenz aller Branchen liegt. Im Gegenteil: Warenhausexpertise ist dafür eine gute Ausgangsbasis.
Wohin geht die Reise bei den Luxushäusern? Sie wollten hier ja auch durch Zukäufe Europas Marktführer werden, haben aber die Mehrheit an La Rinascente abgegeben.
Stephan Fanderl: Wir haben mit dem Partner La Rinascente einen außerordentlich guten Start gehabt und unsere Ziele im Premiumbereich klar erreicht. Unsere Pläne für die Umbauten der drei Häuser in Berlin, Hamburg und München werden nun spezifischer. Damit werden wir uns jetzt vordringlich befassen.
Die Richtung geht in diesen Häusern zu noch mehr Luxus?
Stephan Fanderl: Der Markenbesatz im Premiumbereich wird sicher noch weiter nach oben gehen. Das wird man auch in der Vermarktung und der Kundenansprache sowie in der Außen- und Innengestaltung der Häuser sehen. Die KaDeWe Group hat hier eine einzigartige Expertise.
Also sind weitere Standorte auch in Deutschland denkbar?
Stephan Fanderl: Es gibt sicherlich eine Reihe interessanter Standorte im In- und Ausland. Dort kann man auch über Akquisitionen oder Partner nachdenken.