Duisburg.. Die Volkswagen-Krise sorgt für Nervosität bei den Stahlkochern von Thyssen-Krupp. In Duisburg rechnen Betriebsräte mit Folgen des Diesel-Skandals.
Die Krise des größten deutschen Autobauers VW löst auch in der Belegschaft von Thyssen-Krupp Sorgen aus. „Wir haben eine hohe Abhängigkeit zur Automobilindustrie“, sagt Tekin Nasikkol, stellvertretender Betriebsratschef der Stahlsparte von Thyssen-Krupp. Zirka 40 Prozent des Stahls, den das Revierunternehmen herstellt, werde an Autoproduzenten geliefert. „Insbesondere zum VW-Konzern haben wir starke Lieferbeziehungen“, gibt Nasikkol zu bedenken. „Wahrscheinlich werden wir die Auswirkungen auch zu spüren bekommen. Wie hart es uns treffen wird, können wir zurzeit nicht einschätzen.“
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Die Unruhe unter den Mitarbeitern sei groß, berichtet der Betriebsrat. „Wird der VW-Manipulationsskandal Auswirkungen auf uns haben? Diese Frage höre ich vermehrt in meinen Gesprächen mit der Belegschaft“, sagt Nasikkol. Das Thema spielte auch bei Betriebsversammlungen der Stahlarbeiter auf dem Gelände des Landschaftsparks Duisburg-Nord mit mehr als 2000 Teilnehmern eine Rolle.
Bei seinem Auftritt vor der Belegschaft habe sich Spartenvorstand Heribert Fischer allerdings gelassen gezeigt, als es um mögliche Folgen des VW-Skandals für Thyssen-Krupp gegangen sei. Im Umfeld der Konzernführung wird betont, man beliefere alle Autobauer mit Stahl. Gleichwohl ist der VW-Konzern mit Marken wie Audi und Skoda der größte Kunde des Stahlkonzerns.
Abgas-Skandal „eine existenzielle Bedrohung“
Ohnehin gibt es Sorgen um die Stahlindustrie an Rhein und Ruhr. Hintergrund sind europäische Pläne zum Handel mit Kohlendioxid-Zertifikaten. Branchenpräsident Hans Jürgen Kerkhoff bezeichnete die Pläne der EU-Kommission als „existenzgefährdend für die Stahlindustrie“. Duisburg ist Europas größter Stahlstandort. Bundesweit zählt die Branche rund 87 000 Jobs, 47 600 davon in NRW.
Auch die Betriebsräte von Thyssen-Krupp sind angesichts der Klimapläne alarmiert. „Die aktuellen Überlegungen der EU könnten für die Stahlkocher im Ruhrgebiet zu einer existenziellen Bedrohung werden“, warnt Nasikkol. Die Anlagen am Stahlstandort Duisburg seien bereits hoch effizient und technisch ausgereizt, eine weitere Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes könne es daher kaum geben. „Wir brauchen die Unterstützung der Bundesregierung“, fordert der Betriebsrat mit Blick auf die EU-Pläne. Der deutschen Stahlbranche machen auch chinesische Billigimporte zu schaffen.
Werben für eine niedrige Dividende
Thyssen-Krupp-Stahlchef Andreas Goss hat vor wenigen Tagen ein neues Sparpaket im Volumen von mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr angekündigt. Kürzungen bei der Belegschaft werde der Betriebsrat nicht akzeptieren, stellt Nasikkol klar. „Wir haben unseren Beitrag geleistet. Jetzt ist Schluss“, sagt er. Der Vorstand hat bislang nicht näher erläutert, wie die Einsparungen erzielt werden sollen. Nasikkol warnt davor, allein auf Kostensenkungen zu setzen. „Irgendwann ist das nicht mehr Fitness, sondern Magersucht“, kritisiert der Betriebsrat.
Der Konzern Thyssen-Krupp leide nach wie vor „unter der gigantischen Fehlinvestition der Vergangenheit“, sagt der Arbeitnehmervertreter mit Blick auf das Desaster beim Bau des Stahlwerks in Brasilien. Die finanzielle Erholung von Thyssen-Krupp werde weitere sechs bis sieben Jahre andauern. Der Betriebsrat wirbt für eine möglichst niedrige Dividende, um Investitionen in die Zukunft zu ermöglichen. Auch die Stahl-Belegschaft verzichte derzeit schließlich auf Geld. Angeblich gebe es ambitionierte Dividendenziele unter anderem des Großaktionärs Cevian. Für eine solche Erwartungshaltung von Finanzinvestoren habe die Arbeitnehmerseite kein Verständnis, sagt Nasikkol. „Das Geld fehlt in der Kasse.“