Essen. Die Deutsche Annington lässt eine Anwaltskanzlei säumige Mieten eintreiben. Das kritisiert der Mieterbund und fordert einen Stopp der Inkasso-Praxis.


Mit 350 000 Wohnungen gehört die Deutsche Annigton zu den größten Unternehmen der Branche in Europa. Mit der Übernahme des Wettbewerbers Gagfah strebt der Bochumer Konzern in diesem Jahr einen Rekordgewinn an. Ab Herbst nennt sich der neue Immobilienriese Vonovia. Die Probleme aber scheinen die alten zu bleiben.

Seit mehreren Jahren appelliert der Deutsche Mieterbund an die Annington, Mietausstände nicht länger durch ein Inkasso-Büro eintreiben zu lassen. In einem Brief an Vorstandschef Rolf Buch fordern die Mieterschützer jetzt erneut einen „sofortigen Stopp“ der „rechtswidrigen Inkasso-Praxis“.

Urteil: Keine unnötigen Inkasso-Kosten

Mit seiner Einschätzung beruft sich der Mieterbund auf mehrere Urteile. Richter des Amtsgerichts Dortmund hatten bereits 2012 entschieden, dass es einem Großvermieter zumutbar sei, säumige Mieter selbst zu mahnen. Das Unternehmen dürfe nicht unnötige Kosten produzieren, indem es ein Inkassobüro einschaltet.

2015 bestätigte das Amtsgericht Dortmund seine Rechtsauffassung und kritisierte auch die Höhe der anfallenden Inkasso-Gebühren, zumal die Deutsche Annington über Jahre bewiesen habe, dass sie das Mahnwesen in Eigenregie bewältigen könne.

Anwaltsbüro in Berlin beauftragt

Im März 2013 hatte die Annington ihre damals schon umstrittene Inkasso-Praxis umgestellt. Für das Geldeintreiben war nicht länger die Tochterfirma Deutsche Wohninkasso GmbH zuständig, sondern fortan der Rechtsanwalt Jochen Schatz mit seinem Berliner Anwaltsbüro JHS Legal. Nach Angaben des Mieterbunds berechnet die Kanzlei dafür eine Geschäftsgebühr und eine Auslagenpauschale nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, die beide der säumige Mieter zu zahlen hat.

Die Deutsche Annington verteidigt ihre Inkasso-Praxis und beruft sich dabei auf Urteile der Amtsgerichte Flensburg, Bochum, Dortmund, Essen-Steele, Gelsenkirchen-Buer, Recklinghausen u.a. Dort seien die Schuldner „zur Zahlung der Mietschulden nebst Inkassogebühren verurteilt worden“, erklärt Konzernsprecherin Nina Henckel. Der Mieterbund hält diese Gerichtsentscheidungen indes für „substanzlos“.

Vier Mahnungen gehen voraus

Zahlen über Mietrückstände und Mahnverfahren nennt die Annington nicht. „Annähernd alle Mieter zahlen pünktlich“, sagte Henckel dieser Zeitung. Wenn es dennoch zu Problemen komme, nehme das Unternehmen mehrfach Kontakt zu den säumigen Mietern auf – mit zwei Briefen, einem Anruf und einer SMS. „Erst danach übergeben wir die Angelegenheit einem Rechtsanwalt, der Kanzlei JHS Legal“, so die Sprecherin.

Die Beauftragung der Kanzlei, meint die Annington, sei für die Mieter kostengünstiger als ein Klageverfahren, das der Konzern nach den vier vorherigen Mahnungen einleiten müsse. Henckel: „Wir halten diese Vorgehensweise daher für sozial fair und verantwortlich.“

LEG und Vivawest mahnen selbst

Dass es auch anders gehen kann, zeigen zwei Beispiele großer Wohnungsgesellschaften in NRW: Die LEG in Düsseldorf (rund 110 000 Wohnungen) mahnt offene Mietforderungen bei ihren Mietern nach eigenen Angaben selbstständig an und erhebt dafür eine vertraglich vereinbarte Mahngebühr von fünf Euro. Vivawest in Gelsenkirchen (über 120 000 Wohnungen) verfügt über eine Abteilung, die sich mit Forderungen beschäftigt. Sie sei eng verzahnt mit der Mietschuldnerberatung, die von Sozialarbeitern geführt werde, heißt es bei Vivawest.