Bonn. .
Der Streik bei der Post geht in die vierte Woche. Am morgigen Freitag wird immerhin wieder verhandelt. Vor den Gesprächen mit der Gewerkschaft Verdi zeigt sich Post-Chef Frank Appel optimistisch. Aber es gibt Bedingungen für eine mögliche Einigung.
Herr Appel, können die Post-Kunden darauf hoffen, dass die Zustellung bald wieder reibungslos läuft?
Appel: Das hängt weniger von uns ab als von unseren Verhandlungspartnern.
Was tun Sie als Arbeitgeber dafür, den Konflikt mit der Gewerkschaft Verdi zu entschärfen? Immerhin geht es um die berufliche Zukunft von 140 000 Tarifbeschäftigten.
Wir setzen uns an den Tisch und verhandeln. Und das, obwohl der Streik fortgesetzt wird. Ich bleibe Optimist und bin mir sicher, dass wir uns einigen können. Wir sind Verdi ja auch schon deutlich entgegengekommen. Wir bieten die Verlängerung des Kündigungsschutzes und ein neues Arbeitszeitmodell, das eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 34 Stunden zulässt. Wir sagen außerdem ganz klar: Die Mitarbeiter, die schon heute im Unternehmen beschäftigt sind, werden nicht schlechter gestellt. Aber wir müssen unsere Kostenstrukturen bei neu entstehenden Arbeitsplätzen wettbewerbsfähig machen.
Die Gewerkschaft kritisiert insbesondere die Ausgliederung von Beschäftigten in der Paketzustellung in Tochterfirmen mit schlechterer Bezahlung. Es geht um rund 6000 Arbeitsplätze, die nun nicht mehr direkt beim Mutterkonzern angesiedelt sind. War die Ausgliederung wirklich notwendig?
Nachdem Verdi sich über Monate nicht gesprächsbereit gezeigt hatte, haben wir den befristet angestellten Paketzusteller aus der Deutsche Post AG Anfang des Jahres unbefristet eine Festanstellung in den Delivery GmbHs angeboten. Dort werden sie nach einem mit Verdi vereinbarten Tarif bezahlt. 3800 von 4000 haben das Angebot sofort angenommen. Dazu kommen inzwischen zusätzlich 2000 externe Neueinstellungen.
Der Vorwurf Vertragsbruch steht im Raum.
Bei der Gründung dieser Gesellschaften hat es entgegen falscher Behauptungen keinerlei Vertragsbruch gegeben. Diese Neuverträge berücksichtigen die veränderte Wettbewerbssituation in der Branche. Wir zahlen heute im Schnitt doppelt so hohe Löhne wie die Konkurrenz. Die Neuverträge sind dennoch hochattraktiv, denn wir liegen in der Bezahlung immer noch deutlich über den Mitbewerbern. Die Situation ist schon einzigartig: Verdi streikt gegen seinen eigenen Tarif, mit Mitarbeitern, die davon nicht betroffen sind.
„Gleiches Geld für gleiche Arbeit“, argumentiert Verdi. Was soll daran falsch sein?
Ich habe Verständnis dafür, dass Mitarbeiter, die schon im Unternehmen sind, keine Abstriche machen wollen. Und das gewährleisten wir ja auch. Doch bei Neueinstellungen haben wir eine andere Situation. Die Post ist kein Monopolist mehr. Wir brauchen je nach Region unterschiedliche Lohnstrukturen. Die Situation in München ist anders als in Mecklenburg-Vorpommern. Das geht nicht mit einem Haustarif.
Können Sie sich vorstellen, die Ausgliederung rückgängig zu machen und die betroffenen Beschäftigten wieder nach dem regulären Haustarif zu bezahlen?
Dass es die neuen Gesellschaften gibt, ist für uns nicht verhandelbar.
Sie wollen den operativen Gewinn des Konzerns bis zum Jahr 2020 von zuletzt rund drei Milliarden Euro auf fünf Milliarden Euro steigern. Verdi kritisiert, die Renditeziele seien zu hoch und wirkten sich negativ auf die Situation der Post-Mitarbeiter aus. Ist die Kritik nachvollziehbar?
Nein, denn hier gerät einiges durcheinander. Es stimmt, dass wir unseren operativen Gewinn jährlich um acht Prozent steigern wollen. Mit einem Plus von zehn Prozent soll aber der größte Anteil aus dem Ausland kommen. In Deutschland ist eine Steigerung um drei Prozent geplant, also etwa auf dem Niveau des Umsatzwachstums. Mehr als 80 Prozent unseres geplanten Umsatzanstiegs kommen daher aus dem Ausland.
Sind Abstriche bei den Ergebniszielen denkbar?
Wir bleiben bei unseren Zielen. Wer sagt, unsere Ergebnisziele gehen zulasten der Mitarbeiter, liegt falsch. Wir müssen in der Lage sein, massiv in unser Geschäft zu investieren. Sonst entstehen die Arbeitsplätze bei Wettbewerbern, die in der Regel deutlich schlechter bezahlen als wir. Das kann niemand wollen – auch Verdi nicht.
Werden die Konkurrenten der Post durch den Streik gestärkt?
Es gibt natürlich ein Risiko, dass wir Kunden verlieren, die zu Wettbewerbern gehen und dort bleiben. Die genauen Folgen des Streiks werden aber für uns vermutlich erst in einigen Monaten genau sichtbar. Klar ist: Der Wettbewerb ist rau.
Gerade in früheren Staatsbetrieben wird der Arbeitskampf mit großer Härte geführt – wie bei der Post, der Lufthansa und beim nun gelösten Konflikt bei der Bahn. Sind diese heftigen Konflikte ein Zufall?
Nein, das ist kein Zufall. Diese Unternehmen sind als Monopolisten oder Quasi-Monopolisten gestartet. Lange Zeit konnten auch wir als Konzern Lohnsteigerungen über Fortschritte bei der Produktivität erwirtschaften. Hier haben wir das Ende der Fahnenstange erreicht.
Sie wirken verärgert über die Eskalation im Streik.
Ich bin nicht verärgert. Es stört mich aber, dass Mitarbeiter, die nichts dafür können, letztlich die Zeche für die Folgen des Streiks zahlen sollen. Wir tun als Management nichts, was unredlich ist. Im Gegenteil: Wir wollen das Unternehmen für die Zukunft wappnen.
Die Fragen stellten Andreas Tyrock und Ulf Meinke.