Wolfsburg. Bei VW wird die Neu-Organisation der zwölf Auto-Marken des Konzerns diskutiert. Die Struktur aus Piëchs Erbe gilt als zu starr für die Zukunft.
Wer könnte am besten mit wem zum Wohle aller? So lautet derzeit die Kernfrage hinter den Kulissen des VW-Konzerns. Das Riesenreich, in dessen rund 120 Werken von Motorrad bis Schwerlaster alles vom Fließband rollt, will sich bis zum Spätsommer neu erfinden.
Dabei läuft es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur und des "Handelsblattes" auf eine Viererstruktur hinaus, bei der die Massenmarken VW-Pkw, Skoda und Seat eine der Säulen bilden. Es geht um ein neues Organisations- und Führungsmodell, mit dem Volkswagen nach Jahren des rasanten Tempos - und auch einiger Wachstumsschmerzen - die letzten Meter vorbei am Noch-Weltmarktführer Toyota nehmen will.
Milliarden-Einsparchancen beim Baukasten MBQ
Dabei scheint die gemeinsame Familie für die Volumenmarken VW-Pkw, Skoda und Seat gesetzt. "Man denkt in diese Richtung", sagte am Montag ein Konzerninsider. Die drei Marken kommen zusammen auf fast 60 Prozent des Konzernabsatzes von zuletzt 10,2 Millionen Fahrzeugen jährlich. Vor allem aber nutzen sie die Architektur des Baukastens MQB, der viele baugleiche Teile markenübergreifend zulässt.
Der Konzern spricht von Milliarden-Einsparchancen des MQB, hat sie aber für Einzelmodelle nie konkretisiert. Nach dpa-Informationen rechnet man intern mit im Schnitt 1000 Euro Ersparnis je Fahrzeug.
Entsprechend wichtig ist es, die MQB-tauglichen Marken auf Linie zu bringen. Denn schon 2018 sollen mehr als dreimal so viele Neuwagen wie 2014 auf MQB-Basis entstehen - nämlich "deutlich über sieben Millionen Einheiten", wie Konzernchef Martin Winterkorn vorgibt.
"Der modulare Querbaukasten MQB muss in den nächsten Quartalen sein Potenzial zeigen", sagt Branchenanalyst Frank Schwope von der NordLB. Er sieht nach dem ausgestandenen Machtkampf zwischen Winterkorn und dem zurückgetretenen VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch die richtige Zeit gekommen, um die Führungsetage und die Organisation neu aufzustellen. Unter Piëch herrschte in Wolfsburg ein Zentralismus, mit dem viele Entscheidungen in eine Art Flaschenhals mündeten.
Die Vielfalt wird entrümpelt
Zudem trieb die Detailversessenheit der Ingenieure aus der Zentrale mitunter wundersame Blüten. So gibt es für den VW-Passat ein Dutzend Radfederungen - und zwar nicht etwa wegen technischer Notwendigkeit. Vielmehr soll jede Variante exakt dieselbe Höhe haben - auch wenn unterschiedliche Motoren und Getriebe das Gewicht verändern. Ein anderes Beispiel: Der Konzern hat mehr Außenspiegel als Automodelle, und mancher Kleinwagen-Spiegel ist auf schwere Limousinen ausgelegt.
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Dieser Wildwuchs soll weg. NordLB-Mann Schwope sagt: "Wir erwarten, dass als Konsequenz der Diskussionen um die Unternehmensspitze die vorhandenen Baustellen des Konzerns offen diskutiert und angegangen werden." Neben der Frage, welche Familien technologisch Sinn ergeben, geht es auch um mehr Verantwortung für die Marken und Regionen.
Ein dezentrales System soll etwa die Modellplanung, aber auch die Vertriebsstrategie näher an die Kundenbedürfnisse rücken. Das gilt als ein Schlüssel für mehr Erfolg in den USA. Auf dem nach China zweitgrößten Automarkt fährt VW seit Jahren der Konkurrenz hinterher.
Vier Familien sind möglich
Neben der neuen Familie aus VW-Pkw, Skoda und Seat könnte es auch eine rund um Porsche geben, die Bentley und Bugatti mit eingemeindet. Audi würde, wie bisher auch schon, die Edelmarke Lamborghini und die Motorräder von Ducati anführen. Bereits beschlossen ist eine Einheit aus den zwei schweren Nutzfahrzeugmarken im Konzern, MAN und Scania.
Sie hat weitgehende, dezentralisierte Befugnisse. Fraglich wäre dann noch, wozu die leichten VW-Nutzfahrzeuge zählen sollen. Sie haben technologisch mehr Nähe zu den Pkw-Schwestern als zu MAN und Scania.
VW äußert sich nicht zur Debatte
"Entschieden ist noch gar nichts", sagt ein weiterer Insider. In den nächsten Wochen sollen Konzerngremien die Debatte weiterführen, für die am vergangenen Freitag führende VW-Lenker den Startschuss gaben. Damals trafen sich die wichtigsten Aufsichtsräte mit Winterkorn zu einer Weichenstellung für den Zeitplan, der Ende September bei der nächsten regulären Aufsichtsratssitzung sein Ende finden könnte.
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Viel ist bis dahin noch im Fluss. Geredet wird auch über Familien, die sich nicht entlang der Marken, sondern an Modellen orientieren. Eine Einheit etwa nur für alle SUVs würde die Zusammenarbeit aber völlig revolutionieren, das finge schon mit den Arbeitsplätzen an.
VW will sich zu der gesamten Debatte nicht äußern. "Gerüchte", sagt ein Konzernsprecher, "kommentieren wir grundsätzlich nicht". Noch offen sind auch die Änderungen für den VW-Vorstand, der sich teils entlang der neuen Struktur organisieren müsste. Gesetzt sind dabei laut Konzernkreisen die Posten Finanzen, Einkauf und Personal.