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Spätestens Ende des Jahres 2022 soll auch das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden. Vor der Reaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima waren bundesweit noch 17 Kernkraftwerke in Betrieb. In wenigen Wochen, wenn der nordrhein-westfälische Energiekonzern Eon mit dem Meiler im bayerischen Grafenrheinfeld ein weiteres Atomkraftwerk vom Netz nimmt, werden es nur noch acht sein. Doch mit dem Atomausstieg entstehen neue Probleme. Noch ist ein Endlager für die radioaktiven Abfälle nicht gefunden. Unklar ist auch, ob das Geld, das die AKW-Betreiber Eon, RWE, EnBW und Vattenfall für die langfristigen Kosten zurückgelegt haben, auf Dauer ausreicht.

Um das teure Erbe der Atomkraft zu finanzieren, sind verschiedene Modelle im Gespräch – die Gründung einer Stiftung oder eines öffentlich-rechtlichen Fonds zum Beispiel. Schließlich gibt es angesichts der Krise der Energiekonzerne auch innerhalb der Bundesregierung Zweifel an der Sicherheit der Atomrückstellungen. Derzeit stehen in den Bilanzen der Versorger Atom-Rückstellungen in Höhe von rund 38,5 Milliarden Euro. Allein bei Eon sind es 16,6 Milliarden Euro, auf den Essener RWE-Konzern entfallen knapp 10,4 Milliarden.

Doch der Wert der Rückstellungen ist bedroht, denn insbesondere bei RWE dienen auch konventionelle Kraftwerke als Sicherheiten. Eon will sich vom Kraftwerksgeschäft trennen. Für die Firmenabspaltung Uniper, bei der auch die Atommeiler angesiedelt werden sollen, will Eon noch fünf Jahre lang haften.

Auch der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller beobachtet die Diskussion um die Kosten des Atomausstiegs sehr aufmerksam. Bei einem Symposium der Universität Duisburg-Essen will sich Müller am heutigen Freitag ausführlich zu dem Thema äußern. Müller, der von der Universität einen Ehrendoktortitel erhält, hat für die rot-grüne Bundesregierung einst den Atomausstieg mitverhandelt. Heute steht er an der Spitze der Essener RAG-Stiftung, die – gespeist unter anderem aus den Dividenden des Chemiekonzerns Evonik – langfristig die Kosten für die Altlasten des Steinkohlenbergbaus finanzieren soll.

Müller wirbt nun auch für eine Kernenergie-Stiftung. Denn für die Energiekonzerne wie Eon und RWE gelte heute, was für den Bergwerkskonzern RAG vor zehn Jahren gegolten habe: Die unternehmerische Entwicklung des neuen Geschäfts werde zunehmend erschwert durch die Haftung für das alte Geschäft.

Müller verweist zwar auch auf „gravierende unternehmerische Fehlentscheidungen“ in den Energiekonzernen, wenn er die Krise der Branche analysiert. Doch der Staat sei mitverantwortlich, wenn es nun darum gehe, den Atom-Ausstieg sinnvoll zu organisieren.

„Die ersten kommerziellen Kernkraftwerke wurden von Veba und Bayernwerk geplant, also von Staatsunternehmen“, erinnert Müller. „Es herrschte nach Mitte der 50er-Jahre eine parteiübergreifende Euphorie zur nuklearen Stromerzeugung.“ Insofern müsse die Finanzierung des Atomausstiegs nun gemeinsam von Politik und Wirtschaft geklärt werden, argumentiert Müller.

Als Ansatz könne eine „Kernenergie-Stiftung“ dienen. Doch dafür müssten die Konzerne auch bereit sein, für eine ordentliche finanzielle Ausstattung zu sorgen – etwa in Form von Unternehmensbeteiligungen. Letztlich geht es – wie bei der RAG-Stiftung – darum, die Steuerzahler vor unnötigen Kosten zu schützen. Mit Blick auf die Kohle-Stiftung jedenfalls sagt Müller: „Ich bin so selbstbewusst zu behaupten, dass das aktive Aufgreifen der RAG-Problematik nach 2005 gegenüber dem Nichtstun den Steuerzahler ganz erheblich entlastet hat und weiter entlasten wird.“