Essen. . Unruhe beim Energieriesen RWE: Aufsichtsratchef Schneider verkündet bei der Hauptversammlung seinen Rückzug - und Aktivisten stürmen den RWE-Tower.

Zu Beginn einer Hauptversammlung stellt sich für gewöhnlich der Vorstandschef ganz allein den Aktionären und legt in einer Rede Rechenschaft ab. RWE-Chef Peter Terium scharte hingegen gleich die gesamte Vorstandsriege um sich. Es sollte ein Zeichen in der Krise sein. „In rauen Zeiten braucht es eine Mannschaft, die sich blind vertraut“, rief Terium den Aktionären in der Essener Grugahalle zu. Dass die Lage überaus ernst ist, daran ließ er keinen Zweifel.

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Die Plänen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Betreiber alter Kohlekraftwerke zur Kasse zu bitten, sorgen für tiefe Verunsicherung in dem Unternehmen mit seinen rund 60.000 Beschäftigten. Es geht nun „an die Substanz“ von RWE, warnte Terium.

„Die Abgabe würde nämlich das sofortige Aus für einen Großteil der Braunkohletagebaue und Braunkohlekraftwerke bedeuten.“ Dies gefährde Arbeitsplätze und die Versorgungssicherheit in Deutschland, mahnte der RWE-Chef. „Auch Klimaschutz muss wichtig bleiben, aber eben nicht über allem anderen stehen.“ Es heißt, auch Terium wolle am Wochenende in Berlin auf die Straße gehen, um für den Erhalt der Braunkohle-Jobs zu demonstrieren.

Greenpeace-Aktivisten und RWE-Azubis verteilen Flugblätter

Vor der Grugahalle verteilten in diesem Jahr nicht nur Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und Urgewald Flugblätter, um die Kohleverstromung anzuprangern. Auch die Auszubildenden von RWE appellierten an die Politik: „Macht keine Energiepolitik über unsere Köpfe hinweg.“

Protestaktion am RWE-Tower

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    Im Saal bat Terium die Aktionäre um Geduld. „Die Krise ist bei weitem noch nicht ausgestanden – und die Zeiten werden noch rauer werden“, sagte der RWE-Chef. Auch aus den Redebeiträgen von Aktionärsschützern sprach eine gewisse Unsicherheit. „Ist der Gaul, auf dem wir reiten, längst tot und wir merken es nicht?“, fragte Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

    Umbruch im Aufsichtsrat von RWE

    Mitten in der wohl schwersten Krise der Firmengeschichte muss sich RWE auch noch einen neuen Aufsichtsratschef suchen. Er stehe für eine Wiederwahl in einem Jahr „nicht mehr zur Verfügung“, sagte Amtsinhaber Manfred Schneider beinahe beiläufig während der Hauptversammlung und verkündete damit erstmals öffentlich, dass er seinen Abschied vom angeschlagenen Revierkonzern vorbereite. Wer sein Nachfolger werden soll, ließ Schneider offen. Die ungeklärte Top-Personalie sei „im Moment eines der Kernprobleme“ von RWE, hatte Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment, kurz vor der Hauptversammlung geklagt.

    Unlängst forderte der frühere BDI-Präsident Hans-Peter Keitel, der ebenfalls dem RWE-Aufsichtsrat angehört, in einem Brief an Schneider einen „Neuanfang“ für das Unternehmen. Der 76-jährige Schneider steht bereits seit 2009 an der Spitze des RWE-Aufsichtsrats, seit Ende 1992 ist der langjährige Bayer-Chef Mitglied des einflussreichen Gremiums. Viele Prominente gehören der illustren RWE-Runde an – unter anderem der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Daimler-Chef Dieter Zetsche, Ex-Thyssen-Krupp-Chef Ekkehard Schulz, der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske sowie die Stadtoberhäupter Dagmar Mühlenfeld aus Mülheim und Ullrich Sierau aus Dortmund. Doch ein Nachfolger für Schneider aus den Reihen der RWE-Aufsichtsräte ist nicht in Sicht.

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    RWE-Chef Terium schließt Aufspaltung nach Eon

    Erstmals meldeten sich auch die kommunalen Aktionäre von RWE in der Hauptversammlung zu Wort. Zum Kreis der Anteilseigner des Energiekonzerns zählen finanzschwache Städte wie Dortmund, Essen und Mülheim. Zusammen halten die nordrhein-westfälischen Kommunen rund 24 Prozent der RWE-Aktien. Von städtischen Kämmerern war wiederholt der Ruf nach stabilen Dividenden laut geworden. Ernst Gerlach, Geschäftsführer des Verbands der kommunalen RWE-Aktionäre, wies allerdings den Vorwurf der „Geldsucht“ zurück. Die Kommunen seien „keine geldgierigen Blutsauger“, sondern am langfristigen Wohl des Unternehmens interessiert.

    Doch wie es genau weitergehen wird bei RWE, ist im Detail noch nicht absehbar. Auch einschneidende Veränderungen sind möglich. So schloss Konzernchef Terium auch eine Aufspaltung von RWE nach dem Vorbild des Düsseldorfer Konkurrenten Eon nicht mehr aus. „Sollten sich die Marktbedingungen weiter verschlechtern, behalten wir uns eine Aufspaltung vor“, sagte Terium. „Derzeit sehen wir aber keine Notwendigkeit dazu.“