Wolfsburg/Frankfurt. Nach dem Bruch des Patriarchen mit dem Konzernchef schien die Situation bei VW festgefahrenen. Nun soll der Konflikt beendet sein - vorerst.
Im Streit um die Führung des Volkswagen-Konzerns hat VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch nun sehr überraschend erklärt, er betreibe nicht die Ablösung des VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn. Wörtlich sagte Piëch am Donnerstag laut "Bild"-Zeitung: "Wir haben uns letzte Woche ausgesprochen. Und uns auf eine Zusammenarbeit geeinigt. "
Zuvor hatten die Deutsche Presse-Agentur sowie der NDR berichtet, Piëch versuche, Vorstandschef Winterkorn noch vor der Hauptversammlung am 5. Mai absetzen zu lassen. Es gebe Versuche, wonach der Beschluss der Aufsichtsratsspitze vom vergangenen Freitag "unterlaufen werden solle", hieß es bei Personen, die mit der Sache vertraut sind.
Krisentreffen der Familien Porsche und Piech
Angeblich trafen sich am Mittwoch auf Drängen von Piëch die Familien Piëch und Porsche in Stuttgart. Dort soll Piëch (78) um Unterstützung für seinen Plan geworben haben, Porsche-Chef Matthias Müller oder Skoda-Chef Winfried Vahland als Nachfolger von Winterkorn durchzusetzen. Offenbar hat er sich - noch - nicht durchsetzen können. Beobachter gehen davon aus, dass das Kräftemessen weiter geht.
Fast ein Jahrzehnt lang prägten drei Gesichter die deutsche Autoindustrie: Dieter Zetsche, Martin Winterkorn und Norbert Reithofer. Sie sind nicht nur alle im Mai auf die Welt gekommen, sie traten in den Jahren 2006/2007 auch innerhalb von zwölf Monaten ihre Chefposten bei Daimler, Volkswagen und BMW an. Und nun entscheidet sich vermutlich innerhalb noch kürzerer Zeit, wie es mit ihnen allen weitergeht - oder eben auch nicht weitergeht.
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Bei BMW lief alles wie so oft ohne laute Störgeräusche: Im Dezember kündigte der Konzern seinen Generationswechsel an der Spitze an. Der erst 49 Jahre alte Produktionschef Harald Krüger wird diesen Mai auf Reithofer folgen. Dieser wiederum dürfte ohne Unterbrechung an die Spitze des Aufsichtsrates wechseln. Das ist nur möglich, weil die BMW-Großaktionäre der Familie Quandt/Klatten es so wollen.
Anfang April stellte dann Daimlers Chefaufseher Manfred Bischoff seinem Konzernchef Zetsche eine Vertragsverlängerung bis 2019 in Aussicht. Während der Manager vor zwei Jahren noch schwer angezählt war und gar seine damalige Verlängerung auf der Kippe stand, sitzt er nun fester denn je im Sattel. Neue Modelle, die Zetsches Handschrift tragen, wurden zum Erfolg. Sollte er bis Ende des Jahrzehnts an Bord bleiben, hätte er satte 14 Jahre als Daimler-Chef und sogar 21 Jahre im Konzernvorstand hinter sich.
Zahlreiche mögliche Nachfolger vorhanden
Dann wird er ziemlich sicher der Letzte der alten Garde sein. Wie viel früher das schon eintreten kann, hängt vom weiteren Verlauf in Wolfsburg und am Piëch-Sitz Salzburg ab. Kann sich Martin Winterkorn auf Dauer gegen die Macht und den Vertrauensentzug des VW-Patriarchen Ferdinand Piëch behaupten? Will er eineinhalb Jahre lang bis zum Vertragsende ein Konzernchef ohne Rückendeckung vom obersten Aufseher sein. Wirft er selber hin?
Daher mühen sich im Machtkampf an der VW-Spitze die Aufsichtsräte hinter den Kulissen nach Kräften um einen Ausweg. In der jetzigen Lage sei das Aktionärstreffen am 5. Mai "undenkbar", sagt ein Aufsichtsratsinsider. Daher glühen im Hintergrund die Drähte. Regulär tagt der Aufsichtsrat am 4. Mai.
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An möglichen Nachfolgern für die VW-Konzernspitze mangelt es nicht: Mit dem früheren Daimler-Vorstand Andreas Renschler und Ex-BMW-Entwicklungschef Herbert Diess lotste der Konzern - und wohl nicht zuletzt Piëch - jüngst zwei absolute Top-Kräfte der Branche nach Wolfsburg. Beiden war bei ihren alten Arbeitgebern der Sprung an die Konzernspitze verwehrt geblieben - ihnen fehlt aber VW-Erfahrung.
Die hat Porsche-Chef Matthias Müller. Der 61-Jährige hatte zuletzt Spekulationen über seine mögliche Nachfolge wieder angefacht. Er schließe nichts aus und sei für nichts zu alt, hatte er im März gesagt. Noch im Januar hatte das anders geklungen: "Ich bin kein potenzieller Nachfolger für Herrn Dr. Winterkorn." Er sei zu alt für den Job.
Piëch verfolgt strategisches Ziel
Auch Skoda-Chef Winfried Vahland und der Chefentwickler von Volkswagen-Pkw, Heinz-Jakob Neußer werden als Kronprinzen gehandelt. Außerdem will der oberste VW-Betriebsrat Bernd Osterloh eine ganze Reihe weiterer Talente in der zweiten Reihe ausgemacht haben. Winterkorn sieht das auch so. Er sagte dem "Stern" vor kurzem auf die Frage, ob unter seinen 50 bis 60 Topmanagern denn einer seinen Vorstandsjob genauso gut könne: "Da sind mehrere dabei, die den Job genauso gut könnten."
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Piëch hatte dem "Spiegel" gesagt: "Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen." Die Kandidaten dafür seien bereits im Unternehmen, eine Entscheidung falle aber erst 2017, "kurz vor meinem Ausscheiden". Doch zumindest für Winterkorns Posten müsste es schneller gehen: Ende 2016 läuft sein Vertrag aus - und ein Nachfolger muss üblicherweise Monate im Voraus feststehen.
Nach dem Bruch mit Piëch liegt es nahe, dass Winterkorn nicht - wie es lange gehandelt worden war - nach seiner Amtszeit Piëch an der Aufsichtsrats-Spitze beerbt. Der Piëch-Biograf Wolfgang Fürweger sagt zum Abrücken des 77-Jährigen vom Konzernchef: "Das strategische Ziel ist sicherlich, zu verhindern, dass Winterkorn der nächste VW-Patriarch wird." (dpa)