Düsseldorf. . Die Änderungen am Erneuerbaren Enegien Gesetz zeigen Wirkung, wie Naturstrom-Vorstand Oliver Hummel im Interview erläutert.

Naturstrom ist einer der großen Ökostrom-Anbieter in Deutschland. Das Unternehmen aus Düsseldorf, das auch einen Standort in Bochum hat, zählt mehr als 240.000 Kunden. Naturstrom-Vorstand Oliver Hummel erläutert im Interview mit Ulf Meinke, warum Naturstrom dennoch keine Anlaufstelle für Kunden ist, die gerne Wind- oder Sonnenstrom beziehen möchten.

Herr Hummel, wenn Ihnen ein Kunde sagt: Ich hätte gerne Strom aus Wind oder Sonne? Wie würden Sie antworten?

Oliver Hummel: Ich müsste sagen: Tut mir leid, ich muss Sie enttäuschen.

Warum?

Hummel: Politische Vorgaben haben dazu geführt, dass wir Ökostrom aus hiesigen Windrädern nicht mehr zu halbwegs vernünftigen Preisen an unsere Kunden bringen können. Gleiches gilt für Strom aus Solaranlagen. Deshalb gibt es in unserem Energiemix seit mehr als einem halben Jahr Strom aus heimischer Wasserkraft mit nur noch einem sehr kleinen Windstrom-Anteil.

In der Energiewende-Nation Deutschland verzichten Grünstrom-Anbieter auf Wind- und Sonnenenergie?

Hummel: Ja, so ist es leider. Bei den meisten Anbietern war dies schon immer so. Durch die seit vergangenem August geltende Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist nun aber auch noch das sogenannte Grünstrom-Privileg auf Druck der EU-Kommission weggefallen. Und damit die Möglichkeit für uns, Ökostrom aus Wind- und Photovoltaik-Anlagen direkt an die Kunden zu verkaufen. Denn die Folge der neuen Gesetzeslage ist, dass wir nun praktisch doppelt zahlen müssten, wenn wir unseren Kunden Wind- oder Solarstrom liefern möchten: einmal über die Umlage an das EEG-System und einmal an den Betreiber der Anlage. So würden Endkundenpreise entstehen, die kaum ein Verbraucher zahlen will.

Gilt das auch für ihre Konkurrenten wie Lichtblick und Co?

Hummel: Wir sprechen von einem branchenweiten Phänomen. Wir brauchen dringend wieder eine Möglichkeit, um unsere Kunden zu bezahlbaren Preisen mit Wind- und Sonnenstrom zu versorgen. Für eine entsprechende Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums engagieren sich mittlerweile mehr als 20 Verbände und Unternehmen aus der Erneuerbaren-Branche. Auch große gewerbliche Stromkunden wie die Metro-Gruppe unterstützen dieses Anliegen.

Aber auch Naturstrom investiert doch in Solar- und Windkraftanlagen. Was passiert denn mit diesem Strom?

Hummel: Er wird ins allgemeine Netz eingespeist. Hierfür erhalten wir die garantierte EEG-Vergütung. Diese würde entfallen, wenn wir den Strom direkt als Ökostrom an unsere Kunden weiterreichen würden. So wird unser Geschäft massiv erschwert. Und viele Kunden, die gerne Wind- oder Sonnenstrom beziehen möchten, haben derzeit einfach keine Anlaufstelle.

Gibt es weitere Auswirkungen?

Hummel: Ja, denn zusammen mit dem Grünstromprivileg wurde auch eine Regelung für den direkten Verbrauch von Sonnenstrom gestrichen. Mieter, die Solarstrom vom Dach eines Vermieters beziehen wollen, werden dadurch gegenüber Eigenheimbesitzern, die ihren Strom selbst erzeugen, benachteiligt. Einen ähnlichen Nachteil haben Gewerbebetriebe, die Solarstrom vom Firmendach beziehen wollen, aber Planung, Investition und Betrieb an einen Dienstleister abgeben wollen. Kurzum: Die Energiewende wird ausgebremst. Und die Bürgernähe geht verloren.

Aus welchen Wasserkraftwerken stammt eigentlich der Strom, den Sie anbieten - und können Sie überhaupt garantieren, dass Ihr Produkt sauber ist?

Hummel: Ja, das können wir. Der Strom stammt aus Wasserkraftwerken am deutschen Teil des Inn und an der Weser. Wir kaufen die Mengen direkt bei den Anlagenbetreibern ein – anders als viele andere Anbieter, die an der Strombörse herkunftslosen Durchschnittsstrom kaufen, den sie nachträglich mit einem Zertifikat für norwegischen Wasserkraftstrom grün färben.

Aber aus meiner Steckdose in NRW kommt doch häufig Strom aus Braun- und Steinkohlenkraftwerken - oder?

Hummel: Aus Ihrer Steckdose kommt der Strom des nächstgelegenen Kraftwerks, so ist nun einmal die Physik. Trotzdem ist Strom ein handelbares Gut, Energieversorger können also bewusst Strom aus Öko- oder aus Kohlekraftwerken kaufen. Unabhängig vom Stromhandel sollten sich Verbraucher allerdings fragen, ob sie mit ihrem Strombezug einen konkreten Beitrag zur Energiewende leisten. Bei uns ist das durch einen verbindlichen Fördercent gewährleistet, der im Arbeitspreis je Kilowattstunde enthalten ist. Mithilfe dieser Beträge haben wir fast 250 Öko-Kraftwerke selbst errichtet oder die Projekte von Bürgern unterstützt.

Wie steht es denn generell um den Markt der Ökostromanbieter?

Hummel: Der Ökostrommarkt stagniert seit einiger Zeit. Vier Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima betrachten viele Menschen das Thema augenscheinlich weniger emotional. Themen wie Klima- und Umweltschutz sind angesichts der einseitigen und oft falsch geführten politischen Diskussion über steigende Stromkosten leider in den Hintergrund gerückt. Aber vielleicht ändert sich das vor dem Hintergrund der gesunkenen EEG-Umlage und Strompreise in diesem Jahr ja wieder.

Liegt die Kundenzurückhaltung vielleicht daran, dass sich viele Menschen das grüne Gewissen nicht leisten können oder wollen?

Hummel: Das glaube ich nicht. Nach wie vor hat noch rund ein Drittel der Stromverbraucher in Deutschland einen Grundversorgungsvertrag, der in aller Regel vergleichsweise teuer ist. Selbst durch einen Wechsel zu einem zertifizierten Ökostrom-Anbieter könnten viele dieser Kunden Geld sparen. Auch guter Ökostrom ist heute in der Regel nicht mehr teurer als konventioneller Strom.