Berlin/Istanbul. Multis wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks können Gewinne und Kosten über Ländergrenzen hin und her schieben. Unter Ausnutzung legaler, nicht abgestimmter nationaler Regeln schaffen sie es, Steuern kräftig zu drücken. Das soll nicht mehr lange funktionieren.
Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) leiten im Kampf gegen Steuerschlupflöcher internationaler Konzerne die nächsten Schritte ein. Die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 wollen sich bei ihrem Treffen in Istanbul auf neue Leitlinien verständigen, wie Länder künftig untereinander Steuerdaten multinationaler Konzerne austauschen. Nach Angaben der Industrieländerorganisation OECD, die das Vorgehen koordiniert, sollen die Daten ab dem Jahr 2017 vertraulich ausgetauscht werden:
Worum geht es im Kampf gegen "aggressive Steuergestaltung"?
Konzerne wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks nutzen legale Schlupflöcher, um ihre Steuerlast massiv zu drücken. Dem wollen die G20- und OECD-Länder einen Riegel vorschieben. Bis Ende 2015 soll ein von der OECD erstellter Aktionsplan (BEPS/"Base Erosion and Profit Shifting") stehen. Er soll 15 Maßnahmen enthalten, sieben davon hatte die OECD schon 2014 auf dem G20-Gipfel im australischen Brisbane vorgelegt. Der Rest soll auf dem Treffen der G20-Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr in Antalya folgen.
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Wie funktionieren Gewinnverlagerungen?
Die Multis erzielen zwar hohe Gewinne, zahlen aber dank legaler Tricks und eines komplizierten Firmengeflechts wenig oder gar keine Ertragssteuern. Sie verschieben Gewinne und Aktivitäten zwischen Hochsteuer- in Tiefsteuerländern hin und her - auch unter Ausnutzung international nicht abgestimmter Steuerregeln und jeweiliger nationaler Schlupflöcher. Verlagert werden Patente, Markenrechte, Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen in Tochterfirmen in Steueroasen und Niedrigsteuerländer. Das drückt den zu versteuernden Gewinn.
Wie sollen die Schlupflöcher gestopft werden?
Künftig sollen Firmen dort Steuern zahlen, wo sie Produkte fertigen und Patente entwickeln - und nicht dort, wo Briefkastenfirmen unterhalten werden. Die Regeln zur Besteuerung von Betriebsstätten sind teils fast 100 Jahre alt. Im Zeitalter von Internet und Onlinehandel ist es aber immer schwieriger zu klären, welchem Land Geschäfte sowie Produkte und damit Gewinne und Steuern zuzuordnen sind.
Ist der Umgang mit Internet-Riesen das einzige Problem?
Nein. Gelöst werden soll auch das Problem der "doppelten Nichtbesteuerung". Das passiert, wenn zwei Länder die Rechtsform eines Unternehmen und die Transfers unterschiedlich einstufen, so dass Zahlungsströme gar nicht mehr besteuert werden. Tochterfirmen machen Zahlungen an ihre Zentrale im Ausland als Zinsen steuermindernd geltend, die Konzernmutter aber streicht das Geld als steuerfreie Dividende ein. Konzerne sollen sich nicht mehr arm rechnen können, indem Mutter und Töchter völlig überhöhte Preise für interne Leistungen untereinander verrechnen.
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Wie kann gegen die Tricksereien vorgegangen werden?
Unter anderem soll ein Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen eingedämmt werden. Davon gibt es weltweit mehr als 3000. Geplant ist hier ein multilaterales Instrument - eine Art Werkzeugkasten, um Änderungen schnell umzusetzen. Schließlich sollen Konzerne den Steuerbehörden mitteilen, wie viel Steuern sie wo bezahlen.
Viele Länder, auch in der EU, locken doch mit Steueranreizen?
In der Tat. Lizenzgebühren etwa sind beliebt, um steuerpflichtige Gewinne bei einem Konzernteil in einem Land zu drücken, die bei einer Tochter als Einnahmen gering belastet werden. Lizenzeinkünfte werden dort minimal besteuert, ohne dass tatsächlich geforscht und entwickelt wird. Der Druck auf Firmen, dies aus Konkurrenzgründen zu nutzen, steigt ebenso, wie der Druck auf Staaten, solche "Lizenz-" oder "Patent-Boxen" als Lockmittel ebenfalls einzuführen.
Wie ist der Stand der Beratungen zu solchen "Patentboxen"?
Ursprünglich sollte das Sparmodell abgeschafft werden. Inzwischen geht es um die Frage, ob "Patentboxen" harmlos sind und zumindest einheitliche Regeln vereinbart werden sollten. Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein britischer Kollege George Osborne schlagen vor, dass Forschungs- und Patenteinnahmen von Unternehmen künftig nur dort steuerlich begünstigt werden sollen, wo die Forschungsaktivitäten auch tatsächlich stattfinden. Bisherige Rabatte sollen schrittweise auslaufen. Nach einer Übergangszeit sollen bestehende Vorteile spätestens im Juni 2021 abgeschafft sein. (dpa)