Bochum.. Cevian-Deutschlandchef Jens Tischendorf bekommt einen Sitz im Aufsichtsrat. Aktionäre begrüßen ihn mit Vorfreude, die Gewerkschaft protestiert.

Ulrich Lehner holt einmal tief Luft. Der Thyssen-Krupp-Aufsichtsratschef ist gerade damit beschäftigt, die neuen Mitglieder des Kontrollgremiums in alphabetischer Abfolge vorzustellen. Als letzter ist Jens Tischendorf an der Reihe, der Deutschland-Chef des Finanzinvestors Cevian.

Die Präsentation fällt denkbar knapp aus. Lehner erwähnt Tischendorfs „breite internationale Erfahrung“, Kenntnisse in Sachen Firmenübernahmen und Finanzen. Das war’s, zurück zur Tagesordnung.

Draußen vor der Tür zur Thyssen-Krupp-Hauptversammlung im Bochumer Ruhr-Congress ist die Begrüßung noch unfreundlicher. „Der natürliche Feind der Heuschrecke – Stahlarbeiter“ und „Heuschrecke gegrillt – Nur bei Thyssen-Krupp“ steht auf Plakaten, die Gewerkschafter mitgebracht haben. Unter den Stahlarbeitern grassiert die Sorge, der Investor Cevian könnte die Trennung des Traditionsgeschäfts mit dem wichtigen Standort Duisburg vorantreiben.

Lehner stichelt gegen "aktivistische Investoren"

Konfliktpotenzial gibt es. Es heißt, Tischendorf habe Vorbehalte gegen das Konzept von Vorstandschef Heinrich Hiesinger, demzufolge der Konzern durch die Vernetzung der einzelnen Konzernsparten Aufzüge, Anlagenbau, Autozulieferer, Stahl und Werkstoffhandel wachsen soll. Aufsichtsratschef Lehner stichelte schon kurz vor dem Aktionärstreffen ganz allgemein gegen „aktivistische Investoren“, die „kein Interesse an den Mitarbeitern haben“.

Von Aktionärsvertretern im Saal wird Tischendorf indes freundlich begrüßt. „Cevian ist uns noch nicht negativ aufgefallen – und schon gar nicht als Heuschrecke“, sagt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. „Bringen Sie frischen Wind in den Aufsichtsrat, Herr Tischendorf“, ruft Ingo Speich, ein Vertreter der Fondsgesellschaft Union Investment, dem Cevian-Deutschlandchef zu.

„Die Zeiten, als Stahl eine fortschrittliche Industrie war, sind lange vorbei“

Vorstandschef Hiesinger wiederum wirbt eindringlich für das, was er „das übergeordnete Ziel“ nennt: Er will den Konzern „im Verbund“ zum Erfolg bringen. Als Ganzes könne das Unternehmen mehr Wachstum erzielen, „als es die Einzelteile in Summe jemals könnten“. Das Aufzuggeschäft beispielsweise profitiere von Erfahrungen der Transrapid-Experten von Thyssen-Krupp, auch die Autozuliefersparte könne das Wissen der Stahlfachleute und Anlagenbauer für die Produktentwicklung gut gebrauchen. Hiesingers Ziel ist der „diversifizierte Industriekonzern“.

Die Stahlsparte mit ihren großen Werken im Ruhrgebiet lobt Hiesinger ausdrücklich. Der Geschäftsbereich sei „keine Last“ – im Gegenteil. Kurz zuvor hat Fondsmanager Speich die These aufgestellt, „die Zeiten, als Stahl eine fortschrittliche Industrie war“, seien „lange vorbei“. Er wünsche sich mehr Anstrengungen von Hiesinger, Thyssen-Krupp „Richtung Hightech-Konzern umzubauen und damit zukunftsfähig zu machen“.

Thyssen-Krupp „noch nicht über den Berg“

Hiesinger verspricht, nach der Rückkehr in die Gewinnzone werde sich das Unternehmen weiter steigern. Ob die Wende nach den drei verlustreichen Jahren schon gelungen sei?, fragt er sich selbst und antwortet: „Nein, ist sie nicht.“ Thyssen-Krupp sei „noch nicht über den Berg“. Dazu müsse das Unternehmen dauerhaft mehr Geld einnehmen, als es ausgebe.

Wie groß der Druck des neuen Großaktionärs Cevian wird, lässt sich nur erahnen. Die gemeinnützige Essener Krupp-Stiftung ist mit 23,03 Prozent nach wie vor größter Einzelaktionär des Konzerns, Cevian hält 15,08 Prozent. Auch wenn Jens Tischendorf nun in den Aufsichtsrat einzieht: Gemeinsam haben die Arbeitnehmervertreter und die Krupp-Stiftung weiterhin die Mehrheit der Stimmen in dem Gremium.