Essen. . 1100 Verkäuferinnen sollen nur noch Ware verräumen, beklagt die Gewerkschaft. Insgesamt ginge den Filialen dann jede dritte Beratungskraft verloren.
Von einem „Paket der Grausamkeiten“ hatte Karstadt-Betriebsratschef Hellmut Patzelt gesprochen, als die Forderungen der Unternehmensführung an die 17 000 Beschäftigten Ende November konkret wurden. Seinerzeit ging es um Kürzungen beim Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld sowie eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden. Seitdem verhandeln die Karstadt-Manager um den neuen Chef Stephan Fanderl mit den Arbeitnehmervertretern des Betriebsrats und der Gewerkschaft Verdi.
Nun legt die Konzernführung mit ihrem neuen Vertriebskonzept offenbar nach: Laut Verdi fordert sie darin neben dem bekannten Abbau von rund 2000 Stellen auch eine Abgruppierung von 1100 Verkäuferinnen. Sie sollen künftig nur noch Waren verräumen und entsprechend weniger verdienen, so Verdi. Dafür müssten ihre Arbeitsverträge geändert werden. Karstadt war gestern nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Kaufhof macht das schon
Die Gewerkschaft läuft gegen die Pläne Sturm. Arno Peukes, der für Verdi im Karstadt-Aufsichtsrat sitzt, hält eine weitere Reduzierung des Verkaufspersonals für falsch. „Das steht im völligen Gegensatz zur Strategie, den Kunden in den Mittelpunkt stellen zu wollen“, sagte er dieser Zeitung. Mit dem Abbau von 2000 Stellen und der Abgruppierung von 1100 Verkäuferinnen zu Warenauffüllern würden die kriselnden Kaufhäuser fast jede dritte (30 Prozent) Beratungskraft verlieren.
Die Trennung von Verkauf und Regalverräumung wäre allerdings keine Karstadt-Erfindung. Der große Konkurrent Galeria Kaufhof hat diesen Schnitt schon lange gemacht, räumt Peukes ein. „Das geschah dort allerdings schrittweise und vor allem aus einer gesunden Situation heraus“, sagt er. Bei Karstadt dagegen gehe es gerade jetzt darum, nicht weiteres Vertrauen der Kunden zu verlieren.
Bei Karstadt füllen dagegen die Verkäuferinnen nebenbei ihre Regale auf. Für Verdi ist das auch sinnvoll, weil sie in den Beratungsgesprächen so immer wüssten, was vorrätig ist und was gerade neu in der Auslage liegt. Aus Arbeitgebersicht nicht nur bei Karstadt ist es aber unwirtschaftlich, Verkaufsfachkräfte Arbeiten erledigen zu lassen, für die sie überqualifiziert und damit zu teuer sind.
Gegen die Tendenz, die Regalverräumung als gesonderte, einfache Tätigkeit zu niedrigeren Löhnen einzukaufen, kämpft Verdi schon lange im Lebensmittel-Einzelhandel. In vielen Supermärkten erledigen diese Arbeiten seit vielen Jahren externe Dienstleister über so genannte Werkverträge. Deren Mitarbeiter erhielten fürs Regaleinräumen selbst nach Tarif meist weniger als sieben Euro die Stunde. Wie hier der Mindestlohn wirkt, muss sich noch zeigen. Verdi hofft, dass die Supermarktbetreiber diese Arbeiten künftig wieder von ihrem eigenen Personal zum Verdi-Tarif erledigen lassen.
Bei Karstadt ist von externen Dienstleistern nicht die Rede. Stattdessen sollen eigene Arbeitskräfte die Waren zum Verdi-Tarif für diese Tätigkeit verräumen. Der liegt aber immerhin im Schnitt um rund 300 Euro unter dem Tarif für Verkäuferinnen, so Peukes. Da eine Vollzeitkraft in der Beratung derzeit im Schnitt rund 2300 Euro brutto verdiene, wäre der Verlust für die Betroffenen erheblich.
Für den heutigen Montag sind in den Karstadt-Filialen Betriebsversammlungen angesetzt, bei denen diese Vorstandspläne ein Thema sein dürften.
Nach dem enttäuschenden Adventsgeschäft mit einem Umsatzminus von sechs Prozent hatte unlängst Karstadt-Finanzchef Miguel Müllenbach noch einmal betont, dass „einschneidende personelle Veränderungen“ notwendig seien, um das Unternehmen und damit die verbleibenden Arbeitsplätze zu retten.