Essen. Als Automobilhersteller ist Thyssen-Krupp bislang nicht sonderlich in Erscheinung getreten, sieht man einmal von den Krupp-Lastern ab, die bis 1969 produziert wurden. Doch inzwischen macht der Essener Konzern ein Viertel seines Umsatzes im Automobilgeschäft – und setzt jetzt auf eine neue Strategie.
Als Automobilhersteller ist Thyssen-Krupp bislang nicht sonderlich in Erscheinung getreten, sieht man einmal von den Krupp-Lastern ab, die freilich bis in die 1980-er Jahre hinein zum alltäglichen Straßenbild gehörten. Den Bau von Lastwagen, Muldenkippern und Omnibussen hatte Krupp schon Jahre vorher eingestellt, weil die Brummis mit dem Drei-Ringe-Logo auf dem Kühlergrill beim Kunden nicht mehr verfingen. 1969 verabschiedete sich das Unternehmen endgültig von seiner traditionsreichen Nutzfahrzeugsparte.
Geblieben sind Know-how und jahrzehntelange Erfahrung. Wohl auch deshalb spielt der Fahrzeugbau im fusionierten Thyssen-Krupp-Konzern bis heute eine weitaus größere Rolle, als es die öffentliche Wahrnehmung vermuten lässt. „Ein Viertel unseres Umsatzes, das heißt knapp zehn Milliarden Euro, entfallen auf Geschäfte mit der Automobilwirtschaft“, hatte Konzernchef Heinrich Hiesinger kürzlich festgestellt.
60 Prozent Gewichtsersparnis
Fakt ist: Die Essener zählen zu den großen Automobilzulieferern in der Welt. In einer Branchenstudie aus dem Jahr 2013 rangiert der Automotiv-Bereich des Dax-Konzerns weltweit auf Rang 19. In Deutschland gehört man zur Spitzengruppe um die Zulieferer-Giganten Continental, Bosch und ZF Friedrichshafen. Doch im Gegensatz zu den Konkurrenten kann Thyssen-Krupp eben auch Stahl. Kein Wunder also, dass Konzernchef Hiesinger den Fahrzeugteilebau weiter voranbringen will.
Mit einem neuen Entwicklungsprojekt wollen die Essener im Automobilsektor jetzt auf die Überholspur wechseln. „InCar plus“ heißt das Programm, an dem fünf Jahre lang 100 Ingenieure aus acht Konzernbereichen an insgesamt 15 Standorten mitgearbeitet haben, die meisten davon in NRW. Neben der Essener Konzernzentrale waren etwa der Fahrwerksspezialist Bilstein aus Ennepetal und der Spezialbandhersteller Hoesch Hohenlimburg eingebunden. Gesteuert wurde „InCar plus“ vom Projektbüro auf der Dortmunder Westfalenhütte.
Thyssen setzt auf offensive Vermarktung
40 Bauteile und Lösungen für den Fahrzeugbau haben die Thyssen-Krupp-Techniker weiterentwickelt: Federn, Dämpfer, Motorkomponenten wie Nockenwellen und Zylinderkopfhauben, Karosserieteile, komplette Lenksysteme, Felgen und Cockpitträger. Bis zu zehn Prozent weniger Kosten und 60 Prozent Gewichtsersparnis sollen die neuen Teile den Autobauern bringen. Vor allem beim Leichtbau wollen die Essener punkten, gilt es doch, sich als Stahlkonzern im Wettbewerb mit Aluminium nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Im Portfolio hat Thyssen-Krupp zudem Produkte, die hörbar nach Zukunftsmusik klingen, wie etwa ein elektrisches Lenksystem, das ohne Lenksäule auskommt.
Besonders aber ging es den Technikern darum, Produkte anzubieten, die möglichst bald auf die Straße kommen. Deshalb geht man die Vermarktung offensiv an. In diesen Wochen fährt das „InCar plus“-Team bei den großen Automobilherstellern vor. Über eine erste Resonanz möchte man zwar noch keine Auskunft geben, glaubt aber fest an den Erfolg des Projekts. „Unsere Stärke“, so Projektleiter Axel Grüneklee im Gespräch mit dieser Zeitung, „liegt ja darin, den Kunden ein ganzheitliches Angebot machen zu können.“