Essen. . „Ich kann mir ein Fehlverhalten nicht vorwerfen“, sagte Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff vor Gericht. „Ich kam zu Karstadt, um das Unternehmen zu retten, um Arbeitsplätze zu retten. First-Class-Flüge hätte ich damals aus meinem eigenen Vermögen zahlen können.“ Seine Verteidiger fordern Freispruch.

Mit heftiger Kritik am Strafantrag der Staatsanwaltschaft gegen Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff leiteten seine Verteidiger am Donnerstag ihre Plädoyers ein. Sie forderten Freispruch. Rechtsanwalt Winfried Holtermüller: „Diese Hauptverhandlung hat die volle Unschuld des Mandanten erwiesen.“

In seinem „letzten Wort“ bedankte sich Middelhoff nach 34 Prozesstagen für die Geduld des Gerichts. Die fünfjährige Ermittlungszeit gegen ihn und der Strafantrag der Staatsanwälte hätten ihn an den Medienpranger gestellt: „Ich fühle mich in meiner Würde und Ehre verletzt. Ich kann mir ein Fehlverhalten nicht vorwerfen.“ Er wies den Vorwurf zurück, auf Kosten von Karstadt private Flüge gebucht zu haben: „Ich kam zu Karstadt, um das Unternehmen zu retten, um Arbeitsplätze zu retten. First-Class-Flüge hätte ich damals aus meinem eigenen Vermögen zahlen können.“

Die Staatsanwälte Daniela Friese und Helmut Fuhrmann hatten sich in der vergangenen Woche von der Schuld des 61 Jahre alten Bielefelders, der offiziell in St. Tropez lebt, überzeugt gezeigt. Drei Jahre und drei Monate Gefängnis wegen Untreue in 44 Fällen forderten sie vor der XV. Essener Strafkammer.

Sie rechneten Middelhoff einen Schaden in Höhe von fast einer Million Euro vor, weil er private Flüge und die Kosten für eine Festschrift dem mittlerweile pleite gegangenen Konzern angelastet hatte, obwohl es dafür keinen dienstlichen Grund gegeben habe.

Verteidiger Udo Wackernagel bezeichnete das Plädoyer der Staatsanwälte als „maßlos, gemein und polemisch“. Es sei unsachlich, Einbußen von Karstadt-Verkäuferinnen und das Verhalten des früheren Vorstandschefs zu vergleichen. Dass Middelhoff Flüge zu privaten Verpflichtungen, etwa das Aufsichtsratsmandat für die „New York Times“, mit Karstadt-Terminen verknüpft und Flieger seines Vermögensverwalters Josef Esch gechartert habe, sei legitim. Es habe im Interesse der Karstadt-Mutterfirma Arcandor gelegen, dass Middelhoff zeitlich flexibel transportiert werde. Auch Sicherheitsbedenken hätten eine Rolle gespielt. Vorrangig sah Wackernagel die vielen dienstlichen Termine als Grund für die Chartermaschinen: „Die Zeitnot war durch Arcandor verursacht.“

„Die Flüge waren ja nur ein Wechsel von Arbeitsplatz zu Zweitarbeitsplatz“

Auch die Hubschrauberflüge von Middelhoffs Wohnort Bielefeld zur Konzernzentrale in Essen seien in Ordnung, argumentierte der Anwalt. „In Bielefeld hatte er in seinem Haus einen voll ausgestatteten Arbeitsplatz. Die Flüge waren ja nur ein Wechsel von Arbeitsplatz zu Zweitarbeitsplatz.“ Er betonte, dass es für Middelhoff in Bielefeld auch kein Privatleben gegeben habe, sondern nur „arbeiten oder schlafen“.

Mitverteidiger Winfried Holtermüller sprach vom großen Ermessen eines Vorstandschefs bei der Beurteilung, was dienstlich veranlasst sei. Die Staatsanwaltschaft habe dies ignoriert: „Sie spricht das Manager-Ermessen nicht an, sondern ersetzt es durch ihr eigenes Behörden- und Beamtenermessen.“ Middelhoff habe angesichts der „akuten Sanierungsbedürftigkeit“ des Konzerns alle Kraft in die Umstrukturierung gesteckt: „Er konnte nicht umhin, ohne Unterlass zu arbeiten.“ Da er auch im Flugzeug Akten bearbeitet habe, „durfte er gar nicht Linienmaschinen nutzen, weil sonst unbefugte Dritte Einblick in die Schriftstücke genommen hätten“.

Middelhoff habe auch ohne Vorsatz gehandelt, weil er von der Übernahme privater Flüge durch den Konzern ausgehen durfte. Er hätte dabei auf mündliche Zusagen der Mehrheitsaktionärin Madeleine Schickedanz vertrauen dürfen. Auch wenn die Quelle-Erbin dies bestreite, sei es ihm durch deren Bevollmächtigten Josef Esch versichert worden. Ein Urteil wird Freitag kommender Woche erwartet.