Brüssel. .

Es waren auch persönlich unangenehme Nachrichten, die Pierre Moscovoci, bis vor Kurzem noch französischer Finanzminister und seit vier Tagen Wirtschafts- und Finanzkommissar der EU, zu verkünden hatte. Nach den Zahlen der Herbstprognose ist Frankreich Problemfall Nummer eins in der Eurozone: Das Land wird in diesem Jahr und in den beiden folgenden die Maastrichter Obergrenze von höchstens drei Prozent Neuverschuldung deutlich überschreiten. Und auch der Trend stimmt nicht – das Defizit steigt weiter, von 4,4 (2014) auf 4,7 Prozent (2016).

Eine Bewertung der Zahlen und damit die Frage nach möglichen Konsequenzen wegen Verstoßes gegen den Stabilitätspakt stehen allerdings erst Ende des Monats an. Schlecht sieht es auch im Falle Italiens aus. Rom wird zwar laut Prognose seine Neuverschuldung langsam drosseln. Das werde aber einen weiteren Anstieg der extrem hohen (mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung) staatlichen Gesamtschuld nicht verhindern können.

Internationale Krisen tragen Mitschuld

Das Schuldenproblem hat mit der Wachstumsschwäche zu tun – die Schuldenquoten ergeben sich aus dem Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Wie Moscovici und sein Vorgänger als Finanzkommissar und neuer Kommissionsvize für Wachstum und Jobs, Jyrki Katainen, erläuterten, rechnen die Brüsseler Experten für dieses Jahr nur noch mit einem Anstieg der EU-Wirtschaftsleistung um 1,3 Prozent. Die Zuwächse für 2015/16 fallen mit 1,5 und 2,0 Prozent voraussichtlich ebenfalls bescheiden aus. Schwache Binnennachfrage und Unsicherheit wegen der internationalen Krisen werden als Hauptfaktoren der lahmenden Konjunktur genannt.

Entsprechend kommt auch die Erholung auf dem Arbeitsmarkt nur langsam voran. Derzeit steht die EU-Arbeitslosenquote bei 10,3 Prozent, 2016 sind laut Prognose immer noch 9,5 Prozent Arbeitslosigkeit wahrscheinlich, für die Eurozone sogar 10,8 Prozent. Die Inflation, derzeit bei 0,6 Prozent, soll erst übernächstes Jahr wieder in die Nähe des offiziellen Ziels der Europäischen Zentralbank („unterhalb aber nahe bei zwei Prozent“) klettern.

Trotz der konjunkturellen Eintrübung steht Deutschland im EU-Vergleich noch einigermaßen gut da: Brüssel rechnet dieses Jahr mit 1,3 Prozent Wachstum für die Bundesrepublik, 2015 mit 1,1 und 2016 mit 1,8 Prozent.

Deutschland könne „eine wichtige Rolle“ spielen, sagte Katainen. Die Wiederbelebung der Wirtschaft dürfe aber nicht von zwei, drei Antreibern allein abhängen. Die Kommission will ihren Beitrag vor allem in Form eines 300 Milliarden Euro schweren Konjunkturprogramms leisten, das Kommissionschef Juncker vor dem EU-Gipfel im Dezember vorstellen will. Moscovici warnte: „Wenn in den kommenden fünf Jahren kein klares Bild sichtbar wird, kein klarer Wille und klares Handeln für mehr Jobs und Wachstum, dann werden die Leute womöglich am europäischen Projekt verzweifeln.“