Berlin. Tote beim Sex: Der umstrittene Ausstellungsmacher Gunther von Hagens sorgt für einen neuen Skandal mit seiner aktuellen „Körperwelten”-Schau, die am 7. Mai eröffnet wird.

Der Mann liegt unten, die Frau sitzt rittlings auf seinem Becken: Es geht deutlich zur Sache in von Hagens neuer Leichenschau.

Für Kritiker der Schau ist das eine neue, besonders effektgierige Form von Leichenfledderei. Der 64-Jährige von Hagens selbst behauptet dagegen seit Jahren, dass seine Ausstellung nicht auf billigen Jahrmarktgrusel aus sei, sondern aufklären wolle. Nichts anderes als Biologieunterricht wolle er geben, eine Art Anatomiestunde soll das sein, für die ganze Familie.

Teil der Voyeursgesellschaft?

Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, glaubt ihm kein Wort: „Wollte er die Besucher seiner Shows tatsächlich mit der Anatomie vertraut machen, bedürfte es nicht der pseudokünstlerischen Mätzchen, mit denen er seine Leichen in Szene setzt.” Allerdings seien die „peinlichen” Aktivitäten von Hagens durchaus als Teil der Voyeursgesellschaft zu verstehen, so Staeck gegenüber der WAZ. „Im TV stürzt sich sensationshungriges Publikum auf die Dschungel-Camps. Von Hagens befriedigt diese Lust gegen Eintritt.”

Auch beim Berliner Senat ist kaum jemand gut auf den geschäftstüchtigen Plastinator und seine kopulierenden Präparate zu sprechen: „Eine Geschmacklosigkeit” schimpfte gestern Kulturstaatssekretär André Schmitz. Rechtliche Schritte allerdings sind schwierig. Der CDU-Politiker Kai Wegener hat immerhin gefordert, dass die Staatsanwaltschaft prüfen solle, ob die Ausstellung zum Schutz von Minderjährigen untersagt werden könne.

Beim Berliner Senat sieht man das kritisch: „Das ist ein kommerzielles Unternehmen. Solange die Show nicht gegen Gesetze verstößt, kann man wenig machen”, so ein Senatssprecher. Selbst wenn man den Jugendschutz ins Feld führe, „dann setzen sie allenfalls das Besucheralter herauf”.

Millionen Besucher weltweit

Rund 26 Millionen Menschen weltweit haben die „Körperwelten”-Schau mittlerweile gesehen. Ende der 90er Jahre hatte der Anatom erstmals plastinierte menschliche Körper gezeigt und damit eine breite ethische Debatte ausgelöst. Bei der Plastination werden Körper oder Körperteile konserviert, indem Körperflüssigkeit durch Kunststoff ersetzt wird.

Die aktuelle Ausstellung, die heute im Postbahnhof am Berliner Ostbahnhof mit 200 Exponaten eröffnet wird, steht unter dem Motto „Der Zyklus des Lebens”. Das Sex-Pärchen zeige den Zeugungsakt und solle bitteschön nicht als Leichenporno missverstanden werden, ließ sich von Hagens bereits zitieren.

Richtig: Es geht ja hier um die reine Wissenschaft. Und dass gerade bei menschlichen Präparaten die Grenze zwischen Studienobjekt und Gruselkabinett verwischt sein kann, ist nicht neu. Jeder Medizinstudent weiß: Wer den Blick auf verwachsene Embryonen, grotesk veränderte Organe oder von Krankheit gezeichnete Körperteile nicht erträgt, sollte sich lieber einen anderen Beruf suchen.

Doch zwischen Lernen durch Anschauung und Geschäftemacherei mit der Intimität des Körpers liegen Welten. „Dr. Tod zeigt Leichen-Sex” titelte die „Bild”-Zeitung . Dabei behauptet von Hagens vollmundig, wie nützlich seine Schau sei: „Schon heute hören zehn Prozent nach dem Ausstellungsbesuch auf zu rauchen oder rauchen weniger, 25 Prozent treiben mehr Sport und 50 Prozent achten stärker auf ihre Ernährung und Gesundheit.”

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