Berlin. Gesine Schwan, die Bewerberin der SPD für die anstehende Bundespräsidentenwahl, hat wenig Rückhalt in ihrer eigenen Partei. Vielleicht wird ihre Kritik an Horst Köhler deswegen schärfer.

Meistens bringt Gesine Schwan ihre verblichenen Freunde zu öffentlichen Auftritten mit. Prominente Sozialdemokraten sieht man selten an ihrer Seite, aber Montesquieu, Aristoteles oder Hannah Arendt sind gewöhnlich dabei, wenn Schwan über Freiheit und Demokratie spricht.

Man muss der lebenslustigen Frau eine gewisse politische Einsamkeit bescheinigen, weil die SPD ihre Kandidatur um das Amt des Bundespräsidenten maximal verhalten unterstützt. Eigentlich muss man sagen: erträgt.

Gesine Schwan, die Bewerberin der SPD für die anstehende Bundespräsidentenwahl. Foto: ddp
Gesine Schwan, die Bewerberin der SPD für die anstehende Bundespräsidentenwahl. Foto: ddp © ddp

Denn nach der Wahl in Hessen, mit der das Kapitel „Wortbruch: Andrea Ypsilanti und die Linke“ endete, geht das Kapitel weiter, in dem Gesine Schwan die Stimmen der Linken in der Bundesversammlung benötigt.

Am liebsten wäre vielleicht eine unsichtbare Kandidatin

Und kaum etwas wünschen sich Parteichef Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier mehr, als dass die Diskussion über das Verhältnis der SPD zur Linken endlich verebbe. Am liebsten wäre ihnen vielleicht eine unsichtbare Kandidatin, oder gar keine oder wenigstens eine schweigsame.

Insofern war es erstaunlich, dass Müntefering sich bereit erklärte, die Präsentation von Schwans neuem Buch „Woraus wir leben“ am Donnerstagabend zu begleiten. Weniger erstaunlich war, dass die Kandidatin vor diesem Termin ihrer Partei einige grelle Sätze nicht ersparte.

In der „Zeit“ griff sie Bundespräsident Horst Köhler an: „Der Graben zwischen Politik und Gesellschaft wird in der aktuellen Amtsführung eher vertieft als überbrückt.“ Sie wolle Köhler keinen Vorwurf machen, aber ihrem Eindruck nach „nimmt er eine Erosion der Demokratie in Kauf.“

Das ist zwar nicht neu. Kurz nach ihrer Nominierung hat Schwan im letzten Jahr Köhler vorgehalten, er brächte Bürger gegen die Politik auf, indem er Politikern die Leviten lese. Danach hat sie derartige Bemerkungen unterlassen, wohl aus Sorge, sie könne Bürger gegen sich aufbringen, indem sie einem beliebten Präsidenten die Leviten lese.

Präsidentenamt hat "mehr Potenzial als gegenwärtig erkennbar"

Inzwischen geht Schwan noch weiter. Das Amt habe sehr viel mehr Potenzial als gegenwärtig erkennbar. „Wenn jemand im Amt wäre von der Statur eines Richard von Weizsäcker, hätte ich nicht kandidiert.“ Damit gibt sie ihrer Kandidatur die unhöfliche wie eitle Begründung, dass Köhler zu staturarm sei, weshalb er ersetzt gehöre, und zwar durch sie.

Gemessen an der Wucht des Angriffs hat die 65-Jährige viel Stille provoziert. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla fand ihre Äußerungen respektlos, sein Kollege Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) riet Schwan zum Rückzug. Ansonsten Stille. Genau diese Stille lastet auf der Kandidatin.

Unbequeme Kandidatur

Sie findet, sehr im Unterschied zu ihrer ersten fröhlichen Kandidatur gegen Köhler vor fünf Jahren, praktisch keine Beachtung. Diese Stille und die mangelnde Unterstützung der SPD haben die Kandidatin mutmaßlich motiviert, zur Kampfkandidatin zu werden.

Die SPD-Führung verwaltet die Kandidatur Schwans eher wie ein schweres Erbe von Kurt Beck, der sich von Parteilinken zur Nominierung drängen ließ. Der 23. Mai ist für Müntefering fast so ein Datum wie der 18. Januar, der Tag der Wahl in Hessen. Wieder eine Niederlage für seine Partei, und bis dahin sind SPD und Linke Gesprächsthema.

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