EU-Haushaltskommissarin Dalia Grybauskaite sieht den vorsichtigen Krisenkurs von der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Sympathie. 19 Milliarden Euro überweist Berlin an Brüssel, aber die europäische Finanzexpertin sagt: „Deutschland ist nicht der größte Zahlmeister Europas.”
Wie viel Geld muss Deutschland im nächsten Jahr in die EU-Kasse zahlen?
Grybauskaite: Eins vorneweg: Beim EU-Haushalt geht es nicht nur darum, wer wie viel zahlt und wer wie viel bekommt. Schließlich bringt die EU-Mitgliedschaft auch Nutzen, der sich nicht in Bilanzen ablesen lässt.
Trotzdem wüssten wir gerne die Zahlen.
Grybauskaite: Deutschland wird 19 Milliarden Euro als nationalen Beitrag zahlen. Und zudem dreieinhalb Milliarden Zolleinnahmen überweisen, die es im Auftrag der EU kassiert hat.
Das ist mehr als alle anderen Staaten – warum?
Grybauskaite: Ich habe ja schon gesagt, dass es viele Vorteile gibt, die nicht messbar sind wie etwa Währungsstabilität, stabile politische Verhältnisse, Frieden. Was die Zahlen angeht: Deutschland ist das größte Land, die stärkste Volkswirtschaft. Die absoluten Zahlen sind deshalb hoch. Aber relativ gesehen ist Deutschlands Beitrag ähnlich hoch wie die Beiträge der anderen Länder.
Konkret?
Grybauskaite: Der Beitrag zum EU-Haushalt entspricht 0,72 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der EU-Schnitt liegt bei 0,73 Prozent. Oder anders gerechnet: Pro Kopf liegt er in Deutschland bei 229 Euro, in Frankreich zum Beispiel bei 257 Euro.
Aber Deutschland kriegt weniger zurück als die anderen?
Grybauskaite: Es wird oft übersehen, dass Deutschland der drittgrößte Empfänger europäischer Fonds ist.
Unterm Strich zahlt Deutschland trotzdem am meisten?
Grybauskaite: Nein. Deutschland ist nicht der größte Zahlmeister – auch nicht netto. Letztes Jahr hat die Niederlande einen höheren Nettobeitrag geleistet.
Braucht die EU wegen der Finanzkrise mehr Geld?
Grybauskaite: Ja und nein. Ja, das EU-Budget bietet nur sehr begrenzte Möglichkeiten und wir brauchen mehr Geld, um die Probleme zu bewältigen.
Aber?
Grybauskaite: Das ist nicht damit getan, dass man Schulden aufnimmt und Ausgaben erhöht. Ich halte sehr viel von dem Kurs, den Bundeskanzlerin Merkel einschlägt. Wir müssen vorsichtig vorgehen.
Wo sehen Sie Risiken?
Grybauskaite: Es könnte uns teuer zu stehen kommen, wenn wir auf Krisen panisch reagieren. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die stabilen Grundlagen in Gefahr bringen, weder den Stabilitätspakt noch die Wettbewerbsregeln.
Wie wird das EU-Budget reformiert?
Grybauskaite: Die EU-Kommission hat die Meinung von Regierungen, Experten und der Öffentlichkeit eingeholt. Die Botschaft: Die EU soll mehr Gewicht legen auf Energie und Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit.
Und für welche Bereiche fällt das Urteil kritischer aus?
Grybauskaite: Es gibt Unzufriedenheit mit der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik. Das wirft die Frage auf, ob wir für Agrarpolitik Geld in dieser Höhe ausgeben sollen, wenn einiges auch in den Mitgliedstaaten geleistet werden kann.
Also künftig weniger EU-Geld für die Bauern?
Grybauskaite: Ich will nicht spekulieren. Landwirtschaftspolitik ist ein sensibles Thema, da verbieten sich radikale Maßnahmen.
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