Gelsenkirchen. Vier Pater betreuen Gelsenkirchener Jugendliche. Sie nennen sich nach ihrem Gründer die Amigonianer und stehen wie ein Fels in der Brandung des alltäglichen Lebenskampfs.
Schulaufgaben machen gehört sicherlich nicht gerade zu den Lieblingsbeschäftigungen vieler Schüler. Doch wer die Tür zum Jugendtreff der Amigonianer in Gelsenkirchen öffnet, der traut seinen Augen und Ohren nicht. Da sitzen die Mädchen und Jungen hoch konzentriert vor ihren Heften, schreiben eifrig an ihren Hausaufgaben, fragen energisch nach und hören mit aufmerksamer Miene den Erklärungen zu.
Die Kinder lernen begeistert
Auf die Frage „Darf ich euch mal ganz kurz unterbrechen?”, gibt es ärgerliche Blicke und die glasklare Ansage: „Nicht so gerne!” Nein, Stören ist hier tatsächlich unerwünscht. Hier wird gelernt, und zwar ausschließlich gelernt. Auch die neun-jährige Cornelia arbeitet an den Hausaufgaben. „Wenn meine Mutter mich hier anmeldet, dann komme ich”, sagt sie dann doch noch, „am liebsten würd' ich jeden Tag hier sein. Ich komm dann besser im Unterricht mit, klar.”
Auch der achtjährige Mohamed strahlt. „Hier ist das besser mit den Hausaufgaben”, sagt er ohne zu zögern. „Da kriegt man Hilfe.”
Mittendrin steht Pater Anno Müller, der Leiter des Jugendtreffs, umringt von seinen Schützlingen. „Früher”, sagt er, „begann der Schulstress erst langsam nach den Ferien. Jetzt kommen die Kinder alle sofort nach den Ferien. Man merkt, der Druck zieht an.”
Schwieriges Zuhause
Druck, den haben viele Kinder und Jugendliche hier wohl auch zu Hause. Drogen, Alkohol, Arbeitslosigkeit, Gewalt in der Familie oder Migranten, die Probleme mit der Sprache haben. Es gibt Schulabbrecher und Alkohol-Exzesse. Für alle sind die Amigonianer wie ein Fels in der Brandung des alltäglichen Überlebens-Kampfs.
Die Ordensgemeinschaft der Amigionianer ist seit 1989 in Gelsenkirchen, Feldmark-Nord, Aldenhofstraße – „die Aldenhofstraße”, wie es hier heißt. Die Pater nennen sich nach ihrem Gründer, dem Kapuzinerpater Luis Amigo´, dem Apostel der benachteiligten Jugendlichen. Luis Amigo´ gründete 1889 die Gemeinschaft, die sich inzwischen in 19 Ländern der Welt um Kinder, Jugendliche und deren Familien kümmert, die es nicht immer leicht haben im Leben.
Die Sozialwohung ist das Kloster
In Gelsenkirchen wohnen die vier Amigonianer-Pater Anno, Lucinio, Tim und Alois wie „ganz normale Menschen”. Ihr „Kloster” – das ist ihre Sozialwohnung mitten in der Siedlung. Anders als bei den Nachbarn ist nur ihr Keller. Den haben sie zu einer kleinen Kapelle umgebaut.
Wie eng die Verbindung der Ordensleute und der Menschen drumherum inzwischen ist, das zeigt sich auch an den Spenden. Das Bistum zahlt zwar für die Pater, und Stadt und Land geben Zuschüsse, aber das allein würde kaum reichen. Den Rest finanzieren Spenden. „Hier verzichten viele bei Festen wie Hochzeiten auf Geschenke und bitten statt dessen um Geld für den Treff”, sagt Bruder Anno. Auch der Fußballverein Schalke 04 gibt Geld.
Hilfe im Jugendtreff
Gleich um die Ecke, zwei Minuten von ihrer Wohnung entfernt, ist der Jugendtreff, ein Holzhaus mit viel Platz. Der ist auch nötig, schließlich kommen jeden Tag 80 bis 100 Kinder und Jugendliche. Sie machen nicht nur Schulaufgaben, viele basteln, lernen kochen, spielen Billard und Fußball oder wollen einfach nur Freunde treffen. Wie der 15-jährige Mohammed. „Hier steht die Tür immer offen; wenn es langweilig ist oder wenn man Hilfe braucht.” Und vor allem: „Hier hat man viel Spaß.” Mohammed kommt, seit er sieben ist. „Ich bin hier aufgewachsen”, erzählt er. Ohne die Hilfe der Amigonianer, da lässt er auch nicht den geringsten Zweifel aufkommen, „hätte ich die neunte Klasse nicht geschafft.”
Amigo, das heißt Freund auf Spanisch. Und Freunde, das sind die Amigonianer in Gelsenkirchen-Feldmark-Nord für viele Kinder und Jugendliche - und für ihre Eltern auch.