Ruhrgebiet. Der Umbau alter Maschinenhallen und Fabriken zu modernen „Lofts” liegt auch im Ruhrgebiet im Trend. Luftige Wohn-Räume für Leute mit einem etwas anderen Lebensgefühl

Als Patrick Brombach den Kaufvertrag für seine neue Wohnung unterschrieb, bedurfte es vor allem viel Fantasie. Die unter Denkmalschutz stehende Maschinenhalle war kaum mehr als eine Ruine, verfallen, zugewachsen, fast abbruchreif. Inzwischen liegt dort, wo einst die Krananlage rotierte, helles Eichenparkett. Patrick Brombach wohnt im Loft. An historischer Stelle noch dazu, nahe der Ruhr in Essen, in der Fabrik der Dinnendahls, der Pioniere der Industrialisierung.

Trendig wohnen in den ehemaligen Labors des Stahlwerks Phoenix in Dortmund-Hörde
Foto: Jakob Studnar.
Trendig wohnen in den ehemaligen Labors des Stahlwerks Phoenix in Dortmund-Hörde Foto: Jakob Studnar. © WAZ

Loft heißt schlicht „Dachboden”, meint jedoch jenen Trend, der in den 40er Jahren in den Künstlerszenen New Yorks und Londons entstand, leerstehende Hallen, Fabriken in Wohnungen zu verwandeln. Wobei der offene Charakter, die riesigen Flächen und die hohen Decken unbedingt beibehalten wurden. Auch im Revier gehören sie längst zu den besseren Adressen, und manche, wie die Dinnendahl'sche Fabrik, bieten zudem noch viel Historie.

Der Konstrukteur Fritz Dinnendahl baute hier 1820 Deutschlands erste Maschinenfabrik. Heute leben auf 140 bis 210 Quadratmetern vor allem jüngere, gutverdienende Leute, die Spaß an besonderem Ambiente haben. Industrie trifft auf trendigen Chic, Beton auf edles Parkett. Die Wohnung von Patrick Brombach erstreckt sich über zwei Ebenen und ist nur unterteilt durch einen eingefügten Kubus, um Küche und Bad unterzubringen. Alles ist offen, bis auf die WCs und einen Wirtschaftsraum. Das Bett steht auf der Galerie unter dem riesigen, von Stahlträgern gehaltenem Glasdach. Von der auf ein Podest gesetzten Badewanne aus gewährt ein durch Stahlsprossen unterteiltes Fabrikfenster den Blick nach draußen.

Der Mann, der dies entwickelte, Christian Spaete, Chef einer Bauträger-Gesellschaft aus Hünxe, hatte ursprünglich gar nicht die Fabrik im Sinn, als er das Gelände im Süden Essens kaufte. Er wollte hier Reihenhäuser bauen und tat das auch, bis ihn die Düsseldorfer Architekten Dolle und Gross für die Lofts in der benachbarten 120 Meter langen und 18 Meter hohen Maschinenhalle begeistern konnten.

Wohnluxus statt Industriebrache

Ein anderer Loft, eine andere Epoche. Fast bis zur Jahrtausendwende wurde in Dortmund-Hörde im Hüttenwerk Phoenix West produziert. Das Ende des Stahls hinterließ eine Brache mit vielen Industiebauten. Mitten drin: die alten Labore von Hoesch – ein 1958 entworfener Klinkerbau mit streng vertikal und horizontal gegliederten Fassaden und Flugdach. Die Dortmunder Architekten Susanne Schamp (45) und Richard Schmalöer (46) kannten das denkmalgeschützte Gebäude bereits seit ihrer Diplomarbeit 1992.

„Der Bau hatte schon zehn Jahre Vandalismus hinter sich. Das Glas der Fenster war zerstört, die Flure mit Graffities besprüht. Aber gleich bei der ersten Besichtigung wusste ich, wie es einmal aussehen würde", sagt Richard Schmalöer. Die Architekten rissen die abgehängten Decken, die Wände des Beton-Skelettbaus heraus, gingen bis auf den Rohbau zurück. Inzwischen haben sie im dritten Stock ihr eigenes Büro untergebracht.

Auch bei ihnen bestimmt unbehandelter Beton das Ambiente, kontrastiert durch den dunklen, eleganten Holzboden. Wo Büros räumlich abgetrennt werden mussten, entschieden sie sich für Glas, so dass nun aus den kleinteiligen Laborräumen ein großzügiger Loft entstand. An die frühere Nutzung erinnern einzig die Einfassungen der Türen mit den lichtgelben Kacheln.

Wohnorte mit Geschichte

Bis tief ins 17. Jahrhundert reicht die Geschichte der Scheidt'schen Tuchfabrik im Essener Vorort Kettwig. Eine Fabrik wie ein Schloss. Ausdruck des erstarkten Selbstbewusstseins der neuen Unternehmerschicht. Backsteinern, turmbewehrt, mit Fenstern, die es mit denen von Kirchen aufnehmen können. Jahrzehnte lag das Gemäuer brach, zuletzt hielt es sich nur mit Hilfe eines stählernen Korsetts aufrecht. Nun soll gebaut werden. 36 Wohnungen in exzellenter Lage. Vorne rauscht die Ruhr, hinten stapeln sich die Fachwerkhäuser des historischen Stadtkerns.

Der Hochtief-Konzern hat sich gemeinsam mit einem Partner der Fabrik angenommen, 70 Prozent der Wohnungen sollen bereits verkauft sein. Dabei müssen die Kunden für die mit 258 Quadratmetern größte Wohnung knapp eine Million Euro zahlen. Auch in diesem „Ufer-Palais” genannten Fabrikgebäude sind die Lofts begehrt. Etwa im Turbinenhaus mit seinen fünf Meter hohen Decken. Neben manch jüngerem Käufer ist es vor allem die ältere Generation, die sich hier, an der Ruhr, niederlassen möchte. Von einer „betuchten Klientel” spricht Vermarkter Heiner Hoffstedde: „Das sind Leute, deren Kinder aus dem Haus sind, die dafür ihre Villen im Essener Süden verkaufen.”

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