Franz Lehner: Warum der öffentliche Nahverkehr ein wichtiger Standortfaktor ist
MEIN BLICKWINKEL Jede Metropole hat sie, nur das Ruhrgebiet nicht. New York hat sie, Tokio hat sie, London hat sie - das Ruhrgebiet hat sie nicht. Die Rede ist von der Metro. Jede Metropole hat eine Metro, das Ruhrgebiet hat den VRR. Das ist ein großer Unterschied.
Metro steht in den meisten Metropolen nicht bloß für eine Untergrundbahn, sondern für ein flächendeckendes Verkehrssystem, das alle Teile der Metropole miteinander gut, schnell und günstig verbindet. In allen Metropolen, sogar in Los Angeles, das eher durch seine vielen Stadtautobahnen bekannt ist, bildet die Metro eine attraktive Alternative zum Auto.
In Tokio, London und anderen Metropolen fahren vor allem diejenigen mit dem Auto, die Zeit haben; wer rasch voran kommen will, nimmt die Metro. Das Gegenteil gilt fast überall und zu fast jeder Zeit im Ruhrgebiet - mit dem Auto ist man zumeist viel schneller.
Was den VRR von vielen Metro-Systemen unterscheidet, lässt sich mit zwei Worten beschreiben: Taktdichte und Vernetzung. Taktdichte steht für die Häufigkeit, mit der Bahnen und Busse verkehren. Werktags fahren tagsüber im VRR die meisten Straßenbahnen immerhin alle zehn Minuten, die S-Bahnen alle zwanzig und die anderen Bahnen und Busse meist nur alle halbe Stunde.
In den meisten Metropolen sieht das anders aus. Da fahren Straßen- und S-Bahnen im Abstand von fünf oder sechs Minuten. Auch mit den Anschlüssen steht es im Ruhrgebiet nicht zum Besten.
Kein Zweifel: Das Ruhrgebiet hat in mancher Hinsicht das Zeug zu einer auch im internationalen Maßstab interessanten Metropole. Die Hochschullandschaft ist gut, die Kultur ist Spitze und auch sonst bietet das Ruhrgebiet einiges. Es gibt jedoch drei große Schwachstellen: die Wohn- und Stadtqualität, die Integration von Kindern aus bildungsfernen Familien oder mit Migrationshintergrund in das Bildungssystem, und der öffentliche Verkehr.
Gerade die Schwachstelle öffentlicher Verkehr wird in den nächsten Jahren schon wegen der steigenden Benzinpreise und der Luftverschmutzung zu einem heftigen Nachteil für die Standort- und die Lebensqualität des Reviers. Das kann man ändern, aber dazu muss sich in den Köpfen der Kommunalpolitiker etwas ändern - sie müssen den öffentlichen Verkehr als eine für die Metropole Ruhr wichtige Infrastruktur begreifen, und nicht bloß als Kostenfaktor und als Möglichkeit für die Vergabe von schönen Pöstchen.
Franz Lehner ist Professor für angewandte Sozialforschung an der Ruhr-Uni und Direktor des Instituts Arbeit und Technik der Fachhochschule Gelsenkirchen