Essen. Aus dem einstigen Essener Kesselhersteller Oschatz ist ein Global Player im Anlagenbau geworden. Das Unternehmen entwickelt etwa für Stahlproduzenten riesige Konverter-Kühlkamine. Jetzt feiert die Gruppe ihr 160-jähriges Jubiläum.

Sie gedeihen in der Nische und werden Weltmarktführer mit innovativen Produkten. Sie trotzen der Krise, bieten sichere Arbeitsplätze, schaffen neue Beschäftigung und verdienen gutes Geld – die stillen, in aller Regel mittelständischen Stars der deutschen Wirtschaft. Ein solcher ist die Essener Oschatz-Gruppe, ein Familienunternehmen in dritter Generation, das in diesen Tagen sein 160-jähriges Jubiläum feiert und noch viel vorhat.

„In China und Südkorea sind wir bekannter als an Rhein und Ruhr”, sagt Hans-Jürgen Schrag. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur führt das Unternehmen seit 1994 und hat doppelten Grund zum Feiern: Am 12. März wird er 60 Jahre alt. Seine beiden Söhne hat Schrag bereits in die Firma mit ihren weltweit 1150 Mitarbeitern geholt, der eine Dr.-Ing., der andere Diplom-Physiker. Doch ans Altenteil denkt der umtriebige Boss im Dauereinsatz noch lange nicht.

Neue Stahlschmieden im Fernen Osten

Dass die Oschatz-Gruppe als globaler Player operiert und produziert, ist kein selbstverständliches Wunder, sondern Folge eines stetigen persönlichen Einsatzes und hoch entwickelter Ingenieurskunst. Während zwischen Dortmund und Duisburg immer weniger produziert wird, werden trotz der Wirtschaftskrise vor allem im Fernen Osten neue Stahlschmieden gebaut oder modernisiert. Oschatz entwickelt für die Stahlproduzenten unter anderem riesige Konverter-Kühlkamine mit einem Durchmesser von gut fünf und einer Länge von bis zu 100 Metern, in denen die bei der Produktion anfallenden Gase abgekühlt und entstaubt werden. Die Lieferung von Kraftwerken „mit allem Zick und Zack”, wie Schrag es formuliert, ist für den Weltmarktführer mit eigenen Produktionsstandorten in China und der Türkei ein überaus profitables Geschäft.

Doch es war ein langer Weg vom sächsischen Meerane bis in die Freihandelszone im Hafen von Istanbul, wo der Anlagenbauer in diesen Wochen den ersten Spatenstich für vier neue Werkshallen mit einer Produktionsfläche von 10 000 Quadratmetern plant und 450 neue Arbeitsplätze schafft.

Start mit Schwarzblechen

Die 160-jährige Firmengeschichte begann 1849 mit einer kleinen Werkstatt für Schwarzbleche im Sächsischen. Der Gründer Franz Louis Oschatz konzentrierte sich schon bald auf den Kesselbau, eine Spezialität, die der Vater des heutigen Firmenchefs zunächst in Mannheim und seit Beginn der 50er Jahre in Essen weiter verfolgte.

Auf dem ehemaligen Gelände der Kruppschen Gießerei und seit Anfang der 90er Jahre im Westendhof begann die Oschatz-Erfolgsstory: Aus dem regionalen Kessel- Hersteller für Brauereien und Salpetersäure-Anlagen wurde ein Global Player mit Niederlassungen in aller Welt. Oschatz spezialisierte sich neben der Kraftwerkstechnik zum Beispiel auf die Abkühlung von Gasen, die in den Anlagen zur Erzeugung von Zink, Blei, Kupfer oder Zinn entstehen. Die von Oschatz gelieferten größten Anlagen der Welt stehen in Australien, Chile, Russland und China.

Die Umwelttechnik ist auf bestem Wege, den chemischen Apparatebau in den Schatten zu stellen: Oschatz baut schlüsselfertige Biokraftwerke, in denen nachwachsende Rohstoffe wie Stroh oder Mais verfeuert werden. Aber es entstehen unter dem Oschatz-Siegel auch Ersatzbrennstoff-Kraftwerke, die sortierten Müll zur Energiegewinnung verwerten.

Produktion im Ausland

Um die Kunden in Europa und Amerika, aber auch auf den ostasiatischen und ozeanischen Märkten schneller und kostengünstiger beliefern zu können, sind unter der Ägide des jetzt 60-jährigen Schrag seit 1996 Produktionsstätten in der Türkei und seit 2005 auch in China entstanden. Der Oschatz-Hauptsitz blieb zwar in Essen, doch der Produktionsstandort wurde dicht gemacht. 190 Mitarbeiter, zumeist Schweißer, verloren ihre Jobs. Inzwischen bietet Oschatz in Essen mehr Arbeitsplätze als vorher – allerdings für Ingenieure.