Erfurt. Die aktuelle Hetzkampagne der NPD gegen einen dunkelhäutigen Wahlhelfer in Thüringen zeigt: Die Strategie der Rechten hat ein neue Stufe erreicht. Mit solchen Aktionen zielt die Partei vor allem auf bessere Resultate bei den anstehenden Wahlen.

Die NPD in Thüringen frohlockt: „Die Kampagne wirkt. Die CDU beginnt sich von Zeca Schall zu distanzieren”, heißt es triumphierend auf der Internetseite des rechtsextremen Landesverbandes. Denn die CDU beginne damit, ihre Plakate mit dem dunkelhäutigen CDU-Mitglied überall zu überkleben. Wasser auf die Propagandamühlen der NPD: „Dass die Regierungspartei so schnell einknickt, habe ich nicht vermutet”, sagte NPD-Spitzenkandidat Frank Schwerdt.

Ungewollte Vorlage

Die CDU in Thüringen weist das zurück. „Völliger Blödsinn”, sagt CDU-Sprecher Heiko Senebald. Tatsächlich sei es Teil der CDU-Wahlstrategie, die Plakate bis zum Wahltermin dreimal auszutauschen. Jetzt würde planmäßig das erste Motiv, auf dem Zeca Schall zu sehen ist, überklebt mit einem neuen Plakat, auf dem der Spruch zu lesen ist: Zukunft macht man nicht mit Links. „Damit haben wir schon vor den Ereignissen um Zeca Schall begonnen”, beteuert Senebald. Dass man der NPD aber dadurch eine ungewollte Vorlage lieferte, räumt auch Senebald ein.

Zeca Schall fällt auf den großen CDU-Wahlplakaten mit ihrer drastischen Arbeiter- und Bauern-Ästhetik besonders auf. Er ist schwarz und steht rechts außen. Und von dort wird er nun massiv bedroht. Die NPD beschimpfte ihn als „Quotenneger” und kündigte an, mit Schall das „direkte Gespräch” zu suchen, um ihn zu „animieren, in seiner Heimat Angola ein neues Leben zu beginnen”. Nichts anderes als eine rassistische und brutale Drohung.

Als die Polizei den Zugang zu Schalls Adresse abriegelt und Platzverweise ausspricht, stellt sich NPD-Chef Udo Voigt mitten auf den Marktplatz von Hildburghausen und wünscht Schall zynisch „gute Heimreise”.

Von der Dreistigkeit überrascht

„Das ist eine völlig neue Situation für Thüringen”, verlautet aus dem Landesinnenministerium. So offen und dreist sei die NPD bislang nicht aufgetreten. „Die NPD setzt im Wahlkampf deutlich stärker auf Themen, mit denen sie gezielt Ressentiments zu schüren versucht und sich mediale Aufmerksamkeit erhofft”, beobachtete der Thüringer Verfassungsschutz. Dabei trete die „rassistische Grundeinstellung der NPD deutlich hervor”.

Der Rechtsextremismusforscher Prof. Klaus Ahlheim sieht das ähnlich: „Es gibt eine neue Qualität, die NPD ist offensiver geworden. Sie haben sich im Alltagsleben vieler Städte etabliert, vor allem im Osten.” Ahlheim beobachtete eine „Doppelstrategie” der Rechten. „Sie versuchen, bis in die gesellschaftliche Mitte vorzudringen und wollen in die Parlamente.”

Ergänzt werde dies durch „Schlägertrupps”, die die Hoheit über Straßen und Stadtviertel anstrebten. Was bedenklich sei: Es gebe bei Themen wie Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus ideologische Überschneidungen bis in die konservative Mitte. So ließe sich die schwache öffentliche Empörung über die Angriffe auf Schall erklären, vermutet Ahlheim.

Im Visier des Verfassungsschutzes

In NRW seien vergleichbare Fälle bisher nicht aufgetaucht, teilt das Innenministerium mit. Die NPD positioniere sich im Osten offensiver, weil sie sich dort größere Chancen ausrechne. „Das heißt aber nicht, dass es hier nicht passieren könnte.” Tatsächlich hat der Überfall von 300 Neonazis auf den 1.-Mai-Umzug in Dortmund bundesweite Schockwellen ausgelöst.

Auch in NRW beobachtet der Verfassungsschutz die Partei daher sehr genau. Wichtigstes Ereignis des Jahres ist für den NPD-Landesverband die Kommunalwahl am 30. August. Die Zahl der Infostände, Verteilaktionen und Demonstrationen wurde vorab deutlich gesteigert. „Im Vergleich zur letzten Kommunalwahl wird sie in erheblich mehr Städten und Kreisen zur Wahl antreten”, heißt es im NRW-Verfassungsschutzbericht 2008. „Es steht zu befürchten, dass sie so mehr Mandate erringt als zuvor.”