Münster. Das Haar kurz geschnitten, das Hemd offen, Jeans, Turnschuhe: Nein – Piraten stellt man sich anders vor. Dennoch ist Jens Seipenbusch derzeit Deutschlands wohl prominentester Freibeuter, seitdem die Piratenpartei den 40-jährigen Münsteraner zum neuen Bundesvorsitzenden wählte.

Für Diplom-Physiker Jens Seipenbusch mit Heimathafen in Velbert-Langenberg, der seine Brötchen heute als stellvertretender Leiter der IT-Abteilung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Münster verdient, war es die Beförderung vom Steuermann zum Hauptmann. Hatte er bei der Piratenpartei doch schon vorher auf der Brücke gestanden: Zunächst als stellvertretender Vorsitzender, zwischendurch dann auch mal als Vorsitzender, 2008 dann erneut als Stellvertreter, bis er jetzt beim Parteitag wieder den Bundesvorsitz übernahm.

IT-Spezialist

Wie kommt man als verheirateter, kinderloser IT-Spezialist mit akademischer Ausbildung und durchaus konservativem Elternhaus zur Piratenpartei? „Indem man sie mitgründet”, erklärt Seipenbusch knapp. Im Sommer 2006 habe er das mit einigen anderen zusammen getan. „In Folge der schwedischen Piratenpartei”, verweist der 40-Jährige aufs skandinavische Vorbild. Abtrünnig sei er übrigens nirgendwo geworden, als seine Freibeuterzeit begann: „Ich war zwar immer schon politisch interessiert, aber wirklich politisch tätig bin ich erst seit Gründung der Piraten.” Sein politisches Credo hat Seipenbusch im „Piratenwiki", der parteieigenen Internetpräsenz in einem knappen Satz zusammenfasst: „Eingefahrene Denkweisen helfen uns selten weiter”, erklärt der Frank-Zappa-Fan, der gerne alle Arten von Tintenfischen isst – „gegrillt oder als Sushi”.

Für ihn selbst allerdings ist die Welt ohnehin alles andere als eingefahren, seitdem das Schiff der Piraten auch medial tüchtig Fahrt aufgenommen hat. „Ich werde inzwischen öfter auch auf der Straße angesprochen, die Arbeit im Vorstand und die Nachfrage nach Interviews sind gestiegen.” Für seine Hobbys, Sport, Lesen (Lieblingsbuch: „Jargon der Eigentlichkeit” von T.W. Adorno), Computer- und andere Spiele, bleibe da kaum noch Zeit – „leider”.

Auf Kaperfahrt

Auch Kinobesuche (Lieblingsfilm: „Die Braut des Prinzen”, Lieblingsschauspieler: Robert de Niro), ausgedehnte Urlaubsreisen nach Brasilien oder auf die Nordseeinsel Langeoog und Besuche in seiner alten Heimatstadt Langenberg müssen derzeit hinten anstehen. Gilt es nun doch zuvörderst, im Kampf um bundesdeutsche Wählerstimmen bei der Bundestagswahl im Herbst auf Kaperfahrt zu gehen. Dass man dabei durchaus eine gute „Prise” machen kann, davon ist er fest überzeugt: „Wenn's gut läuft, haben wir eine Chance, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen – das ist unser Ziel.”

In vorderster Linie allerdings wird sich der Münsteraner nicht ins Schlachtgetümmel stürzen. „Anders als bei der Europawahl werde ich zur Bundestagswahl nicht selbst kandidieren – so kann ich mich voll auf den Vorsitz konzentrieren.” Eine Aufgabe, die kaum weniger Einsatz erfordert, wie Seipenbusch in den letzten Wochen feststellen konnte. Auch die Hauptaufgabe für die nahe Zukunft ist klar definiert: „Als Vorsitzender werde ich mich verstärkt der Außendarstellung widmen.”

Irritationen

Dazu wird auch gehören, gewisse Irritationen auszuräumen. Zum Beispiel jene, die Freibeuter wie der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete und Neu-Pirat Jörg Tauss (gegen ihn wird wegen des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie ermittelt) oder Bodo Thiesen („Hitler wollte keinen Krieg”) in der öffentlichen Wahrnehmung verursacht haben.