Bonn. Vor zwölf Jahren war Robert Atzorn schon einmal auf den Weltmeeren unterwegs. Mittelprächtige Drehbücher und Atzorns „Tatort“ beim Konkurrenzsender erschwerten die Fortsetzung der ZDF-Reihe „Der Kapitän“ (20.2., 20.15 Uhr, ZDF).

Was hat Sie bewogen, wieder auf große Fahrt zu gehen?

Atzorn: Diese Rolle und alles, was damit verbunden ist, Schiff, Wasser, Fernweh, hat mich nie ganz losgelassen. Und ich war nicht der einzige. Auch beim ZDF wollte man gerne dieses Genre „Abenteuer auf dem Wasser“ wieder neu beleben.

Was ist dieser Frank Harmsen für einer?

Atzorn: Zu Beginn ist er resigniert, gebrochen, verzweifelt am Leben, weil er sich schuldig glaubt am Tod seines Schwiegersohns. Frank Harmsen 2009 ist grimmiger geworden, einsamer, frustrierter. Was ihn am Leben hält, ist seine Liebe zum Meer.

Ist Harmsen eine Art Kommissar auf dem Wasser?

Atzorn: Nein, er ist ein Abenteurer in der großen weiten Welt. Natürlich besitzen die Geschichten Krimi-Elemente. Wesentlich ist dabei aber das Erlebnis in den fremden Ländern: anderes Denken, andere Kultur, politische Probleme.

Welche emotionale Bindung haben Sie als Hamburger zu Ihrer Rolle?

Atzorn: Wenn ich so die Pötte vorbeifahren sehe, hat mich schon immer das Fernweh gepackt. Ich habe Seefahrer immer ein Stück weit beneidet. Um das einfache, auf das Wesentliche reduzierte Leben ohne jeden Luxus einerseits, auf die große weite Welt andererseits.

Was könnte man bei den nächsten Filmen besser machen?

Atzorn: Ich fände es spannend, Länder zu besuchen, die wir noch nie gesehen haben – außer vielleicht im „Traumschiff“.

Was hat Ihnen an den Themen zugesagt?

Atzorn: Dass wir im Film Piraterie in Somalia haben, beweist das gute Gespür unserer Autoren. Und ich finde es gut, dass die Hintergründe für das Handeln der Piraten nicht unerwähnt bleiben.

Würden Sie gern noch etwas politischer werden?

Atzorn: Absolut. Ich finde es wichtig, dass man noch genauer in die fremden Kulturen hineinguckt und auch darauf hinweist, wie Entwicklungsländer vom Westen behandelt werden, allerdings ohne den Zeigefinger zu bemühen. Auch den Klimawandel und die Verschmutzung der Meere haben wir im Visier als Themen, die parallel zu unseren Abenteuern mitschwimmen können.

Die Welt der Schifffahrt scheint eigene Gesetze zu haben…

Atzorn: Ich habe mir einiges sagen lassen vor allem über die Sonderstellung eines Kapitäns. Er ist der einsamste Mann an Bord. Er ist der Reederei verpflichtet und zugleich trägt er die Verantwortung für die Mannschaft. Das heißt: Der Kapitän ist nie der Kumpel, der sich gemein macht mit der Mannschaft.

Wie darf man sich die Dreharbeiten am Nordpol vorstellen?

Atzorn: Abenteuerlich. Es herrschte einige Tage ein wahnsinniger Seegang. Es war ein elendes Geschaukel, nachts konnte man kaum ein Auge zutun. Da hieß es die alte Seemannregel beherzigen: immer eine Hand am Schiff, egal ob beim Duschen oder Zähneputzen. Auch die Enge war gewöhnungsbedürftig. Man hing sehr dicht aufeinander. Auch das Essen wurde während der Reise nicht besser. Nach 10 Tagen ununterbrochen an Bord kamen nur noch Konserven auf den Tisch.

Sie haben zuletzt immer häufiger Menschen gespielt, die Schwächen zeigen, die ihren Obsessionen erliegen…

Atzorn: Das war ja nicht immer so. Früher habe ich ja vor allem positive Figuren gespielt. Inzwischen reizen mich die anderen mehr. Du kannst mehr zeigen, was Mensch sein bedeutet. Specht beispielsweise war eine eher eindimensionale, positive Rolle. Der „Kapitän“ weiß nicht immer sofort Bescheid, er macht Fehler, ist angreifbar und nicht unbedingt so richtig sympathisch. So etwas zu spielen fordert einen stärker und ist zugleich faszinierender.

Wie würden Sie Ihre „Tatort“-Jahre für sich verbuchen?

Atzorn: Es war mir bis zuletzt eine Ehre, einer aus der Riege der Kommissare sein zu dürfen. Aber nach 15 Filmen wollte ich einfach nicht auf dieser Rolle hängen bleiben.

Zweimal glänzten Sie als Politiker – in „Die Affäre Semmeling“ und „Kanzleramt“. Beide Male blieben die Einschaltquoten unter den Erwartungen…

Atzorn: Dass „Kanzleramt“ nicht lief, fand ich sehr enttäuschend. Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben. Es waren hochintelligente Bücher. Vielleicht waren die Geschichten etwas zu anspruchsvoll. Das war kein Bügelprogramm. Vielleicht hätten wir noch eine Kantinenebene einführen sollen. Hinzu kommt, dass wir nicht wirklich ganz miese Politiker drin hatten, die Serie musste relativ politisch korrekt bleiben. Das war in Amerika bei „West Wing“ nicht so. Das ist aber der einzige Vorwurf, den man „Kanzleramt“ machen kann.

Zur Person:

Robert Atzorn, 1945 geboren, erzielte seinen Durchbruch mit sympathischen Serienfiguren. Nach „Oh Gott, Herr Pfarrer“ spielte er in den 90er Jahren 68 Mal „Lehrer Doktor Specht“. Als „Tatort“-Kommissar und mit diversen „Problemfilmrollen“ vollzog er in den letzten Jahren erfolgreich einen Imagewechsel.

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