Essen. Viele Deutsche haben Vorbehalte gegenüber dem Islam. Studien belegen: Fast jeder zweite sieht die religiöse Vielfalt als Bedrohung. Dennoch fordert die Mehrheit einen muslimischen Religions-Unterricht.

Die religiöse Vielfalt in Deutschland wächst stetig. Von den großen christlichen Kirchen spalten sich evangelikale, charismatische Bewegungen oder Freikirchen ab, Migranten bringen ihre Religionen mit. Doch die größere Anzahl der religiösen Gruppen und Vorstellungen ist für die Mehrheit der Deutschen keine Bereicherung. „Im Gegenteil, sie empfinden diese Vielfalt als Verunsicherung, fast jeder zweite Deutsche sieht sie als Bedrohung”, sagt der Religionssoziologe Professor Detlef Pollack von der Universität Münster. Er hat in einer repräsentativ angelegten Studie Auswirkungen des religiösen Angebotes untersucht.

Besucher bei der Einweihung einer Moschee in Moers. Foto: ddp
Besucher bei der Einweihung einer Moschee in Moers. Foto: ddp © ddp | ddp





„Es gäbe viele Möglichkeiten, auf die Vielfalt zu reagieren, man könnte sie als Anregung, als Impuls sehen”, sagt Pollack im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe. „Doch 72 Prozent der Westdeutschen sehen die Vielfalt als Ursache für gesellschaftliche Spannungen an.” Im Osten seien es 69 Prozent. Viele Menschen befürchteten dadurch zudem den Verlust der eigenen Identität. Die Vorbehalte gegenüber der „fremden” Religion, vor allem gegenüber dem Islam, seien zuletzt gewachsen. Über Erklärungen kann der Religionssoziologe, der auch für das Exellenz-Cluster Religion und Politik der Uni Münster arbeitet, nur spekulieren.

Zerstörerische Kraft der Religion

 Das Ansehen, „das Image, der Religionsgemeinschaften ist stark mit Bildern verbunden, vermuten wir.” Und diese Bilder seien oftmals nicht darauf gestimmt, Friedfertigkeit zu vermitteln oder integrativ zu sein. Gerade Bilder von den Anschlägen des 11. September 2001, von Madrid oder Mallorca hätten in den Augen vieler Menschen gezeigt, dass in der Religion auch eine zerstörerische Kraft liegen kann.

Zugleich werde das Bild der eigenen Religion positiv wahrgenommen. „Die christliche Religion wird als Religion der Nächstenliebe gesehen, der Wohltätigkeit, des Einsatzes für Benachteiligte.” Spiegelbildlich dazu das Islam-Bild: Er werde häufiger als gewaltbereit, als Religion der Benachteiligung von Frauen empfunden. „Ganz wichtig: Das sagen nicht wir, das sind Ergebnisse unserer Studie.”

Überraschend für den Forscher sei ein anderes Ergebnis: Drei Viertel der Deutschen wollen, dass Muslime einen eigenen Religions-Unterricht bekommen. „Das zeigt, dass die Menschen Werte wie Fairness und Toleranz hoch schätzen, dass sie sagen: Die Muslime sollen das Gleiche haben wie wir.” Daran, sagt der Wissenschaftler, sollten Christen und Muslime, anknüpfen. Die Begegnungen auf der Alltagsebene, zwischen Nachbarn, sollten noch viel intensiver ausgebaut werden. Nur so ließen sich Ängste abbauen, Vorurteile entkräften und Verständnis für die jeweiligen Unterschiede entwickeln.

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Von Michael Osterhaus (Video) u. Melanie Bergs (Text)