Moskau. Russlands politische Szene spekuliert über ein Zerwürfnis zwischen Premier Putin und Präsident Medwedew. Die Frontlinie verläuft zwischen Bürokraten und marktwirtschaftlichen Reformern.

Dmitri Medwedew drängt es in die Medien. Der Präsident Russlands will einmal monatlich in einem TV-Interview die Nation über die Lage im Lande informieren. „Es ist sehr wichtig, die Wahrheit zu sagen und über alle Schwierigkeiten zu sprechen“, erklärte er bei seinem ersten Fernsehauftritt, der gestern ausgestrahlt wurde.

Russlands Präsident Dmitri Medwedew (l.) und Premier Wladimir Putin. Foto: Imago
Russlands Präsident Dmitri Medwedew (l.) und Premier Wladimir Putin. Foto: Imago © imago stock&people

Seine Worte klingen banal, aber die Agentur „Rosbalt” wertet sie als „weiteren Schritt zur öffentlichen Festigung der Position des Präsidenten.” Eine Position, die bisher von der Allmacht Wladimir Putins überschattet wurde, des Premiers und politischen Ziehvater Medwedews. Aber neun Monate, nachdem der ihn als Staatschef beerbt hat, sammelt Russlands politische Szene eifrig Indizien für einen keimenden Machtkampf zwischen Premier und Präsident.

Erst am vergangenen Donnerstag überraschte Exiloligarch Boris Beresowski in London mit einer Verbalattacke auf Putin. „Putin und seine Clique haben sehr viel schmutziges Geld gemacht und versuchen, es weltweit zu investieren“, erklärte der Berufsintrigant gegenüber Sky News. Seit Monaten äußerte sich Beresowski zum ersten Mal laut. „In letzter Zeit gibt es Hinweise darauf, die zumindest andeuten, dass Putin und Medwedew sich entzweit haben”, sagt der russische Politologe Wladimir Pribylowski der WAZ. „Offenbar setzt Beresowski seine letzten Kopeken auf diesen möglichen Konflikt. Und auf einen Abstieg Putins.”

Rubel in der Krise

Die Rubelkrise könnte das Stimmungstief verstärken.

Russland hat Schätzungen zufolge bislang mehr als 200 Milliarden Dollar oder mehr als ein Drittel seiner Reserven ausgeben, um den Fall des Rubel zu stoppen. In den vergangenen beiden Monaten verlor die russische Währung kräftig an Wert. Die russische Wirtschaft steuert erstmals seit einem Jahrzehnt auf eine Rezession zu.

Tatsächlich scheint die Harmonie zwischen Putin und Medwedew nicht mehr eineindeutig zu sein. „Geplante Maßnahmen werden langsamer realisiert, als wir erwarten”, kritisierte Medwedew Mitte Januar die Antikrisenpolitik des Kabinetts Putin. „Und vor allem langsamer, als die Lage es erfordert.”

Wenige Tage später bremsten Parlamentarier, die als Medwedew-Leute gelten, in der Staatsduma einen verschärften Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Spionage und Vaterlandsverrat aus. Eingebracht von Putins Regierung.

Audienz

Und noch im Dezember schlug Medwedew Nikita Belych, einen liberalen Oppositionellen, zum neuen Gouverneur von Kirow vor. Sehr zum Ärger Putins, der Belych nur eine äußerst ungnädige Audienz gewährte.

Ende Januar aber traf sich der Präsident mit dem Chefredakteur der oppositionellen Nowaja Gazeta, um sein Beileid für den Tod des Rechtsanwalts Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasija Baburowa zu äußern, die einige Tage zuvor in Moskau ermordet worden waren. Zum Vergleich: Nach dem Mord an der Nowaja Gaseta-Reportin Anna Politkowskaja 2006 erklärte Putin nur, ihre Artikel hätten Russland weniger geschadet als ihr Tod.

Medienspekulationen

Schon spekulieren die Medien über eine neue Frontlinie zwischen Putin, der Bürokratie und den Sicherheitsorganen auf der einen Seite, Medwedew, der Unternehmerschaft und marktwirtschaftlich orientierten Reformern auf der anderen Seite. Die Washington Post zitiert sogar eine anonyme Quelle aus dem Kreml: Putin und Medwedew träfen sich nur noch in Anwesenheit eines Protokollanten.