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Essen. Hohe Wachstumsraten sind im Autobau nur noch im Niederigkostenbereich für Schwellenländer zu erzielen. Absatzrückgang und Abwrackprämie machen Minimalkonzepte wie Dacia aber auch in Industrieländern attraktiv.

Der damalige Renault-Chef Louis Schweitzer versprach der Welt vor zehn Jahren ein vollwertiges Auto für 5000 Euro und kaufte dafür die abgewirtschaftete rumänische Schrottmarke Dacia. Das Versprechen konnte Schweitzer nur sehr kurzfristig zur Markteinführung im Niedrigpreisland Rumänien halten. Jetzt kostet dort der günstigste Wagen aus Pitesti 6400 Euro. Aber wegen der Abwrackprämie kann Renault zwei Dacia-Modelle in Deutschland unter 5000 Euro anpreisen, und sie werden den Franzosen aus der Hand gerissen.

Hässliches Stufenheck-Entlein

Dabei sträubten sich die westeuropäischen Renault-Importeure im Jahr 2005, den ersten Dacia, das hässliche Stufenheck-Entlein namens Logan, überhaupt ins Programm zu nehmen. Und Werbung wollte man für den Ostblockwagen mit eingeschränkter Fahrzeugsicherheit auch nicht machen. Aber aus 2000 Stück wurde innerhalb von knapp drei Jahren eine Erfolgsgeschichte mit einem Jahresabsatz in Deutschland von über 25 000 Autos. Selbst Taxifahrer sind sich nicht zu schade für den Kombi, riesig wie eine E-Klasse von Mercedes, aber für 8400 Euro zu haben. Der Benz-Kombi kostet mindestens 42 000 Euro.

In mittlerweile sechs über die Welt verstreuten Werken produzierte Renault im vergangenen Jahr nicht weniger als eine halbe Million Billigautos, und bald soll es eine Million sein. Ohne die sähe die Bilanz des ehemaligen Staatskonzerns noch düsterer aus.

Auf der anderen Seite der Palette ist nämlich der angepeilte Aufstieg in die obere Mittelklasse grandios gescheitert, genauso wie beim zweiten französischen Massenhersteller, der PSA-Gruppe mit ihren Marken Peugeot und Citroen. PSA-Boss Christian Streiff fehlt aber eine Low-Budget-Marke wie Dacia. Genau dies ist ein weiterer Tiefschlag für den inzwischen heftig kritisierten Streiff, der jüngst katastrophale Bilanzzahlen vorlegen musste, die kaum aus der aktuellen Wirtschaftslage resultieren.

Renault hat mit Dacia den Fokus darauf gerichtet, dass es in den Industrieländern eine zunehmende Nachfrage nach bezahlbarer individueller Mobilität gibt, sozusagen nach Anti-Premium-Autos. Die eigentliche Schlacht um das Volksauto wird aber in Indien und China geschlagen, nicht erst, seit dem der Familienkonzern-Mogul Rata Tata vor genau einem Jahr die Welt mit seinem Zwergauto (Nano) für 100 000 Rupien schockte, nach damaligen Wechselkursen umgerechnet 2500 US-Dollar oder lediglich etwa 1700 Euro.

Bei diesem Preis unterhalb der Abwrackprämie wurde oftmals unterschlagen, dass Rata Tata nur sein einmal gegebenes Versprechen fürs 100 000-Rupien-Gefährt einlöste. Gleichzeitig sprach er aber von einer Art Netto-Preis, auf den eine noch unbekannte Gewinnmarge aufgeschlagen werden müsste.

Noch ist der Tata Nano mangels Produktionsstätte nicht zu haben. Aber auch ohne ihn wird sich der Anteil an den weltweiten Verkäufen in den so genannten aufstrebenden Auto-Märkten, gemessen am Jahr 2000, bis 2015 voraussichtlich verdoppeln. Fast jeder zweite Wagen wird dann in den Schwellenländern abgesetzt werden. Und zum überwiegenden Teil auch dort gebaut.

Aus Indien kommt jeden Tag eine Meldung zum Billigauto. Hier zählt Skoda zu den Premiummarken und Dacia zum gehobenen Niveau. Toyota will schon 2010 in einem neuen Werk pro Jahr 100 000 Fahrzeuge für 7000 Dollar Verkaufspreis bauen. Solche Pläne gibt es auch bei Renault, Fiat und Ford, aber bei keinem der deutschen Autobauer, die das Thema Billigauto bislang verschlafen haben.

Groß im kleinen Geschäft ist Suzuki. Den japanischen Kleinwagen- und Motorradspezialisten fürchtet sogar Toyota wegen seiner großen Kompetenz im Bau von Billigautos.

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