Mülheim. Der CDU-Oberbürgermeisterkandidat Stefan Zowislo will eine Jahre alte Affäre wieder aufrollen und greift CDU-Staatssekretär Jens Baganz scharf an. Es brodelt in der Partei.
Krisensitzung am Montag Abend bei der CDU in Mülheim, Dienstag Abend soll eine weitere folgen, der kleine Parteitag trifft zusammen. Ein Punkt steht auf der Tagesordnung: Was bewegt den eigenen OB-Kandidaten ausgerechnet im Jahr der Wahlkämpfe, die alte Affäre um den ehemaligen Mülheimer Oberbürgermeister und Parteikollegen, Jens Baganz (CDU), wieder auf die Tagesordnung zu heben, gar die Abberufung des NRW-Staatssekretärs zu fordern? Ein unglaublicher Vorgang, sagen viele in der CDU. Und: „Vergnügungssteuerpflichtig ist das alles nicht, was wir derzeit erleben”.
Zowislo sprach von „korruptionsspezifischen Hintergründen”. Er kündigte am Montag noch einmal neue Hintergründe und neue Sichtweisen an. „Unrecht bleibt Unrecht”, erklärt der OB-Kandidat, Marketingchef der WAZ-Mediengruppe. Er will einen „Beitrag zur transparenten, korruptionsfreien, politischen Kultur” in Mülheim leisten. „Mir geht es um eine saubere Stadt.” Der Fall Baganz belastet aus seiner Sicht die politische Kultur der Kommune seit Jahren. Immer wieder ist von Filz und Mauscheleien die Rede, nicht nur im Fall Baganz.
Was damals geschah
Rückblick: Über Nacht war Baganz nach nur drei Jahren Amtszeit als OB zurückgetreten, als bekannt wurde, dass er mit einer Rechtsanwältin ein intimes Verhältnis hatte. Sie hatte die Stadt in mehreren Privatisierungsvorgängen gegen Honorar beraten. Von Zahlungen in Höhe von 1,4 Millionen Euro ist die Rede.
War alles korrekt gelaufen? Kein Anfangsverdacht, urteilte die Staatsanwaltschaft und ließ den Fall liegen. Der Rat der Stadt entlastete damals Baganz, obwohl der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes seinerzeit zu dem Ergebnis kann: mögliche strafbare Verhältnisse bei der Auftragsvergabe. „Es ist zu verurteilen, wenn öffentliches, städtisches Eigentum nicht nach den Richtlinien der Transparenz ausgegeben wird”, kritisiert Zowislo. Er verhalf Baganz als Wahlkampfmanager zum Sieg.
Öffentliche Entschuldigung verlangt
Zugleich belastet er mit Jörg Dehm jetzt einen weiteren CDU-Mann, der zum engen Referententeam von Baganz zählte. Dehm ist heute Kämmerer in Dinslaken und will Oberbürgermeister in Hagen werden. Entsprechend gereizt reagiert er: „Ich habe die Mülheimer CDU aufgefordert, den publizistischen Amoklauf von Zowislo kurzfristig zu stoppen.” Dehm fordert von Zowislo, die Vorwürfe zurückzunehmen und sich öffentlich zu entschuldigen. Dehm soll die Hinweise des Rechnungsprüfungsamtes auf Korruption mit dem heutigen Mülheimer Sozialdezernenten Ulrich Ernst „unter den Teppich gekehrt haben”, so Zowislo.
Nicht einmal der Kreisvorsitzende Andreas Schmidt war über das Vorgehen seines OB-Kandidaten informiert gewesen. „Der Mann dreht ein ganz großes Rad, in Mülheim, in Hagen und im Land. Was ist, wenn da nichts dran ist?”, fragt ein Mitglied der Basis besorgt. Andere fürchten, dass der Angriff auf ein Mitglied der Landesregierung im Wahlkampf für die örtliche CDU nicht gerade hilfreich ist. Baganz selbst ließ nur verkünden: „Die Vorgehensweise disqualifiziert sich selbst.”
Dass ein CDU-Oberbürgermeisterkandidat einen CDU-Staatssekretär der Landesregierung so massiv angreift, hat an der Spitze der CDU-NRW Irritationen ausgelöst. Zowislo habe bisher den Ruf als „erfolgversprechender Oberbürgermeisterkandidat” genossen, heißt es, habe nun aber eindeutig einen Fehler gemacht. Man hoffe jedoch, dass das Problem vor Ort in der Mülheimer CDU gelöst werde.
Die Landesregierung steht voll hinter Baganz. Er reiste am Montag als Repräsentant für NRW nach Brüssel, um dort eine Auszeichnung der EU für die NRW-Energieagentur entgegen zu nehmen.
Das Mülheimer Rechtsamt mit einem CDU-Dezernenten an der Spitze hat am Montag ein Gutachten erstellt. Auf dieser Grundlage will die Verwaltungsspitze heute entscheiden, ob es juristische Schritte wegen Verunglimpfung oder übler Nachrede gegen den OB-Kandidaten Zowislo geben soll.