Essen. Gentechnik in der Landwirtschaft nützt nur der Lebensmittelindustrie, sagt Thilo Bode, Vorsitzender der Verbraucher-Organisation Food Watch. Er plädiert im WAZ-Interview für ein staatlich kontrolliertes "Frei von Gentechnik"-Siegel.

Was bringt es, wenn Lebensmittel nun mit dem Etikett „Ohne Gentechnik” gekennzeichnet werden?

Bode: Es gibt Verbrauchern die Möglichkeit, sich gegen Gentechnik zu entscheiden. Bislang ist die Masse der gentechnisch veränderten Pflanzen in den Futtertrog gegangen. Bei den von diesen Tieren stammenden Lebensmitteln, also Milch, Fleisch oder Eiern, musste das bislang nicht angegeben werden. Das es nun geändert wird, ist ein Riesenfortschritt.

Können wir sicher sein, dass die Kuh oder das Schwein keine Gen-Pflanzen gefressen hat?

Bode: Die Sache wird nur glaubwürdig, wenn die Regierung jetzt auch ein entsprechendes Siegel einführt. Dieses Siegel muss genauso wie das Bio-Siegel staatlich garantiert und staatlich kontrolliert werden.

Weltweit werden Genpflanzen in Massen erzeugt. Wen kümmert das deutsche Gentechnik-Gesetz?

Bode: Was hier passiert, kann internationale Auswirkungen haben. Wenn McDonald's in Deutschland auf gentechnikfreies Soja umstellen würde, werden sie es gleichzeitig in ganz Europa machen. Das wird den Futtermittelmarkt verändern. Das hat eine globale Bedeutung.

Wem nutzt Gentechnik in der Landwirtschaft?

Bode: Der Nahrungsmittelindustrie. Über 50 Prozent der Kosten für die Herstellung von Lebensmitteln entfallen auf die Rohstoffe. Die Gentechnik senkt die Kosten der Unkraut- und Schädlingsbekämpfung, indem sie Pflanzen widerstandsfähiger gegen Pestizide macht und in ihr Erbgut ein Insektizid einschleust. Auch wenn dadurch die Kosten je Pflanze nur um Zehntel-Cent-Beträge sinken, dann ist das für die Industrie vorteilhaft. Der Verbraucher hat aber davon nichts, weil im Endverkaufspreis der Rohstoffanteil verschwindend gering ist.

Was ist schlecht an Gentechnik?

Bode: Sie schränkt die Wahlfreiheit der Verbraucher ein. Auf lange Frist würde die Sortenvielfalt, die für die Nahrungsmittelsicherheit lebenswichtig ist, abnehmen, es beispielsweise nur noch ganz wenige Reissorten geben. Der Einsatz von Pestiziden und Insektiziden und Insektiziden ginge dennoch weiter, wie auch der hohe Einsatz von Mineraldünger, der übrigens eine endliche Ressource ist: Die Phosphatvorräte der Erde sind begrenzt. Ökologisch gesehen halte ich die heutige Gentechnik in der Landwirtschaft für eine nicht nachhaltige Wirtschaftsform. Sie wird die Erträge nicht steigern und den Hunger auf dieser Welt nicht bekämpfen können.