Ruhrgebiet. Quer durch die Parteien fordern Politiker das Aus für das inkompetente Verkehrsleitsystem. Im Ministerium wird bereits über dessen Zukunft verhandelt. Ob Siemens dabei im Geschäft bleibt, ist offen.
Als alles begann, schien die Welt des Ruhrgebiets mal wieder voller Leuchttürme. Eine spritzige Projekt Ruhr GmbH sollte im Auftrag des damaligen Ministerpräsidenten Clement (SPD) den verknöcherten Kommunalverband Ruhr ablösen. Von der Expo kaufte man das vermeintliche Ausstellungswunder Planet of Visions, und der Verkehrsmanager Ruhrpilot sollte die Region in permanentem Fluss halten. So war's gedacht, so kam es nie. Die Projekt Ruhr GmbH wurde aufgelöst, der Planet verbrannte, und der Ruhrpilot befindet sich gerade rapide im Sinkflug.
Kosten: 50 Millionen Euro
50 Millionen Euro hat er bis heute gekostet, 30 davon öffentliche Mittel, doch bei Routenplanung und Stauvermeidung spielt „das bundesweit einmalige und hochmoderne System”, wie die Betreiber es noch im Oktober 2007 beschrieben, bis heute keine Rolle. Wer zum Beispiel gestern seine Fahrstrecke vom Bochumer Süden in die Essener Mitte per Ruhrpilot zusammenstellen ließ, wurde kurzerhand in acht Kilometer Stau auf der A 40 geschickt. Statt der prognostizierten 20 Minuten brauchte er 47.
50 Millionen Euro, Jahre bislang vergeblicher Konstruktion und Planspiele. Kein Wunder also, dass sich nun die Kritiker quer durch die Parteien häufen, die da fordern: Schluss damit! „Das Ding muss gestoppt werden. Jeder, der da noch einen Euro öffentlichen Geldes hereinstecken will, muss erst einmal den Nachweis erbringen, dass das System überhaupt funktionieren kann”, so Horst Becker, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Landtag.
"Technisch überholt"
„Als Anschubfinanzierung durch die öffentliche Hand mag das noch zu rechtfertigen sein, aber nicht darüber hinaus. Alle Navigationssysteme tragen sich selbst, warum dieses nicht?”, so Roland Mitschke, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Regionalverband Ruhr. „Technisch überholt” sei der Ruhrpilot, urteilt der Grüne Becker und stimmt darin mit Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler überein: „Wir brauchen den Ruhrpiloten nicht. Wer sich heute über den Verkehr informieren will, hat so viele Möglichkeiten über den Hörfunk, Navigationsgeräte, das Internet. Raus aus dem Ruhrpiloten, bevor es noch teurer wird!”
Diese Überlegungen gibt es offenbar inzwischen auch im Verkehrsministerium, wo man nicht mehr nur mit dem bisherigen Partner Siemens verhandelt. Für diese Gespräche wurde Vertraulichkeit vereinbart, zumal Siemens für Ende des Monats eine überarbeitete Version des Ruhrpiloten angekündigt hat. Dennoch argumentiert Ministeriumssprecherin Mirjam Grotjahn vielsagend: „Die Messstellen, die in den Städten zu Hunderten installiert wurden, sind der Kern des Systems. Der Ruhrpilot ist lediglich die Software.” Sollte es eine andere Software geben, könne das durchaus interessant sein. Auch ein ganz anderer Vorschlag steht seit einem halben Jahr im Raum: Den noch unfertigen Ruhrpiloten zusammenzulegen mit „Mobil-im-Rheinland”, einem ähnlichen, aber wohl ausgereifteren System.
Was da vor Jahren in öffentlich-privater Zusammenarbeit mit Siemens begonnen wurde, war ein ambitioniertes Projekt. Der Ruhrpilot sollte die schnellsten Wege auch abseits von Autobahnen finden, sollte angeben, wo freie Parkplätze sind, sollte Verkehrsentwicklungen für bis zu 14 Tagen voraussagen und Umweltbelastungen. Sollte sogar detailliert beraten, ob man an diesem Tag auf dieser Strecke nicht besser Zug oder Bus fährt.
Freigeschaltet wurde der Ruhrpilot endlich 2006. Nun stehe das Revier „an der Spitze des Fortschritts” verkündete Verkehrsminister Wittke (CDU). Da hatte die neue Landesregierung das Projekt von der rot-grünen Vorgängerin geerbt. „Keiner hatte bisher den Mut zu sagen, es war ein Irrtum”, sagt ein Beamter aus dem Regierungsapparat.
Warnung vor dem Stopp
Einer der wenigen, die dem Ruhrpiloten noch Positives abgewinnen können, ist Michael Schreckenberg, Verkehrsexperte an der Universität Duisburg-Essen. „Das System wird kommen, ob allerdings in dieser Konstellation, ist die Frage”, sagt Schreckenberg. Die in den Städten installierten Messgeräte hätten auf jeden Fall ihren Wert, auch wenn das, was man im Internet vom Ruhrpiloten sehe, keinem hohen Anspruch genüge. Er, Schreckenberg, warne davor, aus einer momentanen Unzufriedenheit das Projekt zu stoppen. Der Professor, das sollte man erwähnen, war in der Frühphase an den Planungen beteiligt und spekuliert jetzt darüber, ob „ich nicht wieder ins Spiel komme”.
Und noch einer will mit dem Debakel um den impotenten Verkehrsmanager nichts zu tun haben. Hanns-Ludwig Brauser, Ex-Projekt-Ruhr-Chef: „Vor drei Jahren habe ich einen funktionierenden Piloten übergeben. Was dann kam, müssen Sie das Land fragen!”